Kabinett beschließt Eckpunkte einer Reform Fußfessel statt Sicherungsverwahrung

München (RPO). Gefährliche Sexual- und Gewaltverbrecher sollen nach ihrer Haftentlassung künftig mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden können. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch Eckpunkte einer Reform der höchst umstrittenen Sicherungsverwahrung. Damit reagiert die Bundesregierung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom Dezember, nach dem die deutsche Regelung für die nachträgliche Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt wurde.

Demnach müssen nach Einschätzung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), aus deren Haus die Pläne stammen, möglicherweise 70 bis 80 Menschen aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Diese könnten dann per "elektronischer Aufenthaltsüberwachung" kontrolliert werden.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Nachrichtenagentur DAPD: "Die Fußfessel soll nur für die Fälle zur Anwendung kommen, für die Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich nicht in Betracht kommt." Eine Fußfessel würde eine große Entlastung der Polizei bedeuten, weil die gefährlichen Personen nicht mehr rund um die Uhr bewacht werden müssten. Das zusätzliche Instrument der elektronischen Aufenthaltsüberwachung müsse "grundrechtsschonend" ausgestaltet werden. Ihr Vorhaben stellte sie am (heutigen) Mittwoch auf der Justizministerkonferenz in Hamburg vor.

Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung

Mit Hilfe der Sicherungsverwahrung - der schärfsten Sanktion im deutschen Strafrecht - können gefährliche Verbrecher auch nach vollständiger Verbüßung ihrer Haftstrafe im Gefängnis bleiben. Die Zahl der Sicherungsverwahrten stieg laut Justizministerium zwischen 2001 und 2009 von 257 auf 500.

Den Plänen zufolge soll nicht die gesamte, sondern nur die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die am Ende einer Haftstrafe angeordnet werden kann, komplett abgeschafft werden. Stattdessen soll die sogenannte vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgebaut werden.

Wenn die Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt des Urteils also nicht sicher festzustellen ist, kann sich das Gericht die Anordnung für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten. Der Zeitraum zwischen Urteil und letzter Möglichkeit zur Entscheidung über die Ausübung des Vorbehalts soll verlängert werden.

Des Weiteren soll die Sicherungsverwahrung künftig auf Sexual- und Straftäter beschränkt werden. Bislang können auch Betrüger und Diebe, die vorsätzlich handelten, Sicherungsverwahrung auferlegt bekommen.

Forderung aus Koalitionsvertrag

Mit der Neuordnung der Sicherungsverwahrung wird nicht nur auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs reagiert, sondern auch eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag von Union und FDP umgesetzt. Um die hatte es zuletzt Streit gegeben: Die CSU warf der Justizministerin vor, die Interessen der Täter vor die der Opfer zu stellen. Leutheusser-Schnarrenberger soll einen Gesetzentwurf bis Anfang Juli vorlegen, wie ein Ministeriumssprecher sagte.

Leutheusser-Schnarrenberger sagte im Deutschlandradio Kultur: "Es sind Menschen jetzt in Sicherungsverwahrung, also immer weggesperrt nach Haftverbüßung, und das ist nicht rechtmäßig." Nun müsse man sich damit befassen, "was machen wir mit wirklich sehr, sehr gefährlichen Tätern".

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Olaf Scholz, begrüßte die Pläne. Der Gesetzgeber dürfe die Justiz nicht alleine lassen und mit der Gesetzgebung erst beginnen, wenn freigelassene Täter neue Verbrechen begangen haben, erklärte er.

Kritik kam dagegen von der Gewerkschaft der Polizei und den Linken. "Die elektronische Fußfessel ist, von rechtlichen Problemen abgesehen, nur bedingt geeignet, weitere Straftaten zu verhindern", erklärte die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Halina Wawzyniak: "Die elektronische Fußfessel als Zwangsmaßnahme ist rechtsstaatlich bedenklich."

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