Giftgaseinsatz in Syrien? Neuer UN-Bericht erhärtet Verdacht

Ein neuer UN-Untersuchungsbericht erhärtet den Verdacht, dass im syrischen Bürgerkrieg Giftgas zum Einsatz gekommen ist.

In Syrien gibt es laut UN-Ermittlern glaubwürdige Hinweise für den Einsatz von Chemiewaffen durch beide Konfliktparteien. Es gebe "gute Gründe für die Annahme", dass Chemiewaffen bei mindestens vier Gelegenheiten in begrenzter Menge eingesetzt wurden, erklärte die UN-Untersuchungskommission zu Syrien in ihrem neuesten Bericht am Dienstag. Russlands Präsident Wladimir Putin versicherte derweil, dass ein Land noch keine S-300-Raketen an Damaskus geliefert habe.

"Wir haben Interviews von Opfern, Flüchtlingen und medizinischem Personal", sagte der Präsident der UN-Untersuchungskommission, Paulo Pinheiro, vor dem UN-Menschenrechtsausschuss in Genf. Die Kommission hat demnach Hinweise auf einen Einsatz von Chemiewaffen im März und April in Chan al-Assal bei Aleppo, in Uteibah bei Damaskus, im Viertel Scheich Maksud in Aleppo und in der Stadt Sarakeb. Allerdings seien weder die Art der Kampfstoffe, der Typ der Waffensysteme noch die Urheber bekannt.

Das Kommissionsmitglied Carla del Ponte betonte aber, die Opfer durch Einsätze von Chemiewaffen seien im Vergleich zur Gesamtzahl gering. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien in Syrien an der Tagesordnung, beklagte die Kommission. Beide Konfliktparteien begingen Massaker und Folter. Del Ponte zeigte sich auch beunruhigt vom zunehmenden Einsatz von Kindern bei den Kämpfen. Pinheiro betonte, die Brutalität habe neue Höhen erreicht.

Die Kommission war im August 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt worden, um zu Vorwürfen von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ermitteln. Da die Regierung in Damaskus keine Ermittlungen im Land zulässt, führte die Kommission hunderte von Gesprächen in den Nachbarländern. Sie ermittelt in 30 Fällen wegen des Verdacht eines Massakers.

Schwere Vorwürfe gegen Regierungstruppen

Human Rights Watch (HRW) erhob indes schwere Vorwürfe gegen die Regierungstruppen. Die Leichen von 147 Männern, die zwischen Ende Januar und Mitte März aus einem Fluss bei Aleppo gezogen wurden, seien wahrscheinlich in Gebieten unter Kontrolle der Regierung ermordet worden, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Viele Opfer hätten Kopfschüsse aufgewiesen, zudem seien ihnen die Hände gefesselt und der Mund zugeklebt worden, berichtete HRW unter Berufung auf Anwohner, Aktivisten und Hinterbliebene.

Putin betonte am Dienstag, es seien noch keine S-300-Raketen an Syrien geliefert worden. Der Vertrag zum Verkauf der modernen Luftabwehrraketen sei vor mehreren Jahren unterzeichnet worden, doch sei er noch nicht erfüllt, sagte er beim EU-Russland-Gipfel in Jekaterinburg. "Wir wollen das Gleichgewicht in der Region nicht durcheinander bringen." Zugleich warnte der russische Präsident, eine ausländische Militärintervention in dem Bürgerkrieg würde schwere "humanitäre Konsequenzen" haben.

Die Kämpfe um die strategisch wichtig Kleinstadt Al-Kusseir dauerten unterdessen an. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bombardierte die Luftwaffe den zweiten Tag in Folge die seit drei Wochen umkämpfte Rebellenhochburg nahe der libanesischen Grenze. Auch mehrere Raketen seien eingeschlagen. In dem Dorf Kfar Hamra bei Aleppo wurden laut der Beobachtungsstelle am frühen Morgen 26 Menschen getötet, darunter sechs Frauen und acht Kinder. Die Angaben von Aktivisten und Regierung zu den Kampfhandlungen in Syrien sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

(AFP/csi/felt)
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