Gescheitertes Referendum Namensstreit lähmt Mazedonien

Skopje · Die Regierung spricht von Erfolg, die Opposition von Niederlage: Nach dem Namensreferendum droht in dem kleinen Balkanland eine Staatskrise. Eine Neuwahl wird immer wahrscheinlicher.

Der sozialdemokratische Premier Zoran Zaev lügt sich in die eigene Tasche, wenn er das Ergebnis des Referendums als großen Erfolg wertet. Jedenfalls ist es alles andere als ein  klarer Auftrag, die im Juni mit der griechischen Regierung vereinbarte Änderung des Staatsnamens in „Republik Nord-Mazedonien“ umzusetzen (Griechenland beansprucht die Bezeichnung „Mazedonien“ allein für seine gleichnamige Provinz).

Zwar votierten rund 91 Prozent der Stimmberechtigten für die Änderung, jedoch haben sich lediglich rund 37 Prozent der stimmberechtigten Bürger am Referendum beteiligt – praktisch nur die Anhänger der Regierungskoalition aus Zaevs Sozialdemokraten (SDSM) und den mitregierenden Albanerparteien. Rund zwei Drittel der Mazedonier haben nicht abgestimmt, weshalb Hristijan Mickoski, Chef der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE und Oppositionsführer, von einem durchschlagenden Erfolg ihres Boykottaufrufs und einer Niederlage für die Regierung Zaev spricht.

Ob das für die Zukunft des Landes gut ist, steht auf einem anderen Blatt. Der Russland-freundlichen VRMO-Führung geht es in erster Linie darum, den Beitritt Mazedoniens in die EU und Nato zu verhindern. Zumindest haben die Nationalisten den Prozess massiv gestört, wenn nicht gar an den Rand des Scheiterns gebracht.

Premier Zaev hatte die Situation gründlich falsch eingeschätzt. So hatte er sich eine hohe Stimmbeteiligung erhofft, in dem er die Entscheidung über den Staatsnamen mit der Zukunft des Landes in Europa verknüpfte. Die reichlich umständlich formulierte Abstimmungsfrage lautete: „Sind Sie für die Mitgliedschaft in der EU und der Nato unter der Annahme der Vereinbarung zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland?“ Tausende Bürger, die für Europa sind, aber dafür nicht die nationale Identität – also den Staatsnamen – opfern wollen, fühlten sich von der Regierung Zaev erpresst. Und zogen es vor, auf ihr Stimmrecht zu verzichten.

Zaev wiederum folgte der Verlockung der Vermittler aus Brüssel und Washington. Deren Botschaft hatte bekanntlich gelautet, wenn die Mazedonier mit großer Mehrheit für die Änderung des Staatsnamens stimmten, stünden  dem Land die Türen zu EU und Nato weit offen. Denn Griechenland habe sich in dem Abkommen verpflichtet, die jahrlange Blockade gegen das nördliche Nachbarland aufzuheben.

Das Ergebnis ist mangels Beteiligung von mindestens 50 Prozent ungültig, hätte aber für die Regierung Zaev ohnehin keine bindende Wirkung gehabt. Zaev wollte lediglich die Stimmung im Land testen. Die entscheidende Abstimmung über die Namensänderung erfolgt im Parlament, vermutlich bereits nächste Woche. Doch das wird nicht ohne politische Spannungen auskommen – das Referendum hat die tiefen Gräben zwischen den Lagern sichtbar gemacht. Zumindest ist mit  heftigen Straßenprotesten zu rechnen.

Die Namensänderung erfordert ein Verfassungsgesetz, rein rechnerisch wäre die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit möglich: Zaevs Koalition aus Sozialdemokraten und drei Albanerparteien bringt es auf 71 der 120 Parlamentssitze. Die zehn restlichen Stimmen hofft der Premier, von pro-europäischen VRMO-Abgeordneten zu bekommen. Laut Gerüchten in Medien wären oppositionelle Abgeordnete bereit, mit der Regierung für die Verfassungsänderung zu stimmen, wenn Korruptions- und andere Strafverfahren aus der Regierungszeit von Premier Nikola Gruevski gegen sie eingestellt würden. Um diese Abtrünnigen zu schützen, soll die Abstimmung geheim erfolgen. Sollte dieser Kuhhandel nicht zustande kommen, kündigte Zaev bereits eine Neuwahl an, die noch im November stattfinden sollen.

Die griechische Regierung setzte sich am Montag dafür ein, dass sein nördlicher Nachbar trotz eines ungültigen Referendums die beabsichtigen Namensänderung umsetzt. „Die Chance darf nicht verpasst werden“, sagte Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos in Athen. Auch Bundesaußenminister Heiko Maas rief beide Länder dazu auf, die Chance für eine Einigung im Namensstreit zu nutzen.

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