Wenige Stimmen geben den Ausschlag Briten in Deutschland könnten Wahl in Großbritannien entscheiden

Berlin · An diesem Donnerstag wählen die Briten ein neues Unterhaus. Der Ausgang wird mit Spannung erwartet - insbesondere, weil die Wähler so auch Einfluss auf den geplanten Brexit nehmen. Wer gewinnt, könnte auch von den rund 100.000 Briten in Deutschland abhängen.

 Wahlkampf mit Kuchen: Boris Johnson auf den letzten Metern vor der Entscheidung in Großbritannien.

Wahlkampf mit Kuchen: Boris Johnson auf den letzten Metern vor der Entscheidung in Großbritannien.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Wie die britische Botschaft in Berlin unserer Redaktion bestätigte, besitzen viele der Ende 2018 in Deutschland gemeldeten 106.115 britischen Staatsbürger die Wahlberechtigung in ihrer Heimat. Da dieses Mal eine Entscheidung weniger entlang klassischer Partei-Orientierungen als vielmehr mit Blick auf den Brexit erwartet wird, können in vielen Wahlbezirken wenige Stimmen den Ausschlag geben.

Die Wahllokale öffnen an diesem Donnerstag von 8 Uhr (MEZ) bis 23 Uhr (MEZ). Unmittelbar danach wird eine Prognose im Auftrag der Fernsehsender BBC, ITV und Sky News veröffentlicht. Bei vier von fünf Wahlen seit der Jahrtausendwende lagen die Prognosen grundsätzlich richtig.

Nach jüngsten Umfragen ist ein Sieg der konservativen Tories von Premier Boris Johnson zwar weiter wahrscheinlich. Ganz sicher können sie sich einer Mehrheit aber nicht sein. Die oppositionelle Labour-Partei von Jeremy Corbyn konnte den Abstand auf die Tories zuletzt verringern. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es zu einem „hung parliament“ kommt. Damit ist eine Sitzverteilung gemeint, in der keine der beiden großen Parteien aus eigener Kraft eine Regierung bilden kann.

Wahlforscher hatten zuletzt nur noch einen Vorsprung von 28 Mandaten für die Tories vor den anderen Parteien vorausgesagt. Die Konservativen kämen demnach auf 339 von 650 Sitzen. Vor zwei Wochen hatte eine ähnliche Umfrage Johnson noch eine Mehrheit von 68 Abgeordneten prophezeit. Für die jüngste Erhebung im Auftrag der Tageszeitung „The Times“ wurden mehr als 100.000 Menschen über einen Zeitraum von sieben Tagen einschließlich Dienstag befragt.

Johnson führte bisher eine Minderheitsregierung an. Um sein mit der EU nachverhandeltes Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen, braucht er eine stabile Mehrheit. Am 31. Januar 2020 will er das Land aus der Europäischen Union führen.

Sollte Labour-Chef Jeremy Corbyn Premierminister werden, will er innerhalb von drei Monaten einen neuen Brexit-Deal mit enger Anbindung an die EU aushandeln. Innerhalb von sechs Monaten sollen die Briten dann in einem neuen Referendum darüber abstimmen. Die Alternative wäre ein Verbleib in der Staatengemeinschaft. Corbyn selbst will sich neutral verhalten, wie er kürzlich betonte. Chancen auf eine eigene Mehrheit hat Labour kaum. Die Sozialdemokraten müssten auf die Unterstützung der kleineren Parteien hoffen.

In Großbritannien gilt ein reines Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet, dass in jedem der 650 Wahlbezirke nur die Stimmen entscheiden, die auf den Kandidaten mit den meisten Stimmen entfallen sind. Anders als in Deutschland werden alle übrigen Stimmen nicht gewertet. Deshalb haben es neben Labour und den Konservativen andere Parteien sehr schwer, überhaupt ins Parlament zu gelangen. Oppositionsparteien wie die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei riefen daher zum taktischen Wählen auf.

Jeder britische Bürger ab 18 Jahren, der die Insel vor weniger als 15 Jahren verlassen hat, behält seine Wahlberechtigung. Er muss sich in seinem Heimatwahlkreis eintragen lassen und hat dann drei Möglichkeiten: Entweder stimmt er rechtzeitig vor dem Wahltag per Brief ab oder er ist am Wahltag selbst in seiner Heimat und geht ins Wahllokal oder er benennt einen Vertreter, der für ihn die Stimme abgeben darf.

(may-/hebu/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort