Kampf gegen Sozial-Dumping Bulgariens Fernfahrer meutern gegen neue EU-Vorschriften

Sofia · Neue Regeln sollen Dumping und Ausbeutung in der Transportbranche verhindern. Nur sehen das die Betroffenen in Osteuropa etwas anders.

 Bulgarische und rumänische Lkw-Fahrer demonstrieren in Brüssel gegen neue EU-Regeln für die Transportbranche, durch die sie sich benachteiligt fühlen.

Bulgarische und rumänische Lkw-Fahrer demonstrieren in Brüssel gegen neue EU-Regeln für die Transportbranche, durch die sie sich benachteiligt fühlen.

Foto: AP/Francisco Seco

Frankreichs Staatspräsident Emannuel Macron gilt als geistiger Urheber des sogenannten EU-Mobilitätspakets, das die europäische Transportwirtschaft reformieren soll. Der deutsche Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung begrüßte es als „Grundvoraussetzung, um wirksam gegen Sozialdumping, Nomadentum und unwürdige Bedingungen auf überfüllten Parkplätzen vorzugehen”. Fuhrunternehmer aus Osteuropa halten das von ihnen „Macron-Paket” genannte Reformvorhaben dagegen für eine protektionistische Keule, mit der der westeuropäische Kern der EU die osteuropäische Konkurrenz aus dem gemeinsamen Binnenmarkt für Transportdienstleistungen vertreiben will.

Unlängst protestierten Hunderte bulgarische Fernfahrer in gelben Westen mit Kollegen aus Rumänien, Polen, Ungarn und Litauen in Brüssel vor dem EU-Parlament. Dort debattierte die parlamentarische Verkehrskommission das umstrittene Mobilitätspaket, billigte manche Punkte, verwarf und vertagte andere. Draußen skandierten bulgarische Trucker „Pobeda, Pobeda!” („Sieg, Sieg”). Sie hoffen, dass das Paket vor der Europawahl im Mai nun nicht mehr verabschiedet werden kann.

Drei Verordnungen des Mobilitätspakets gefährden nach Ansicht seiner Kritiker die Konkurrenzfähigkeit osteuropäischer Fuhrunternehmen: So sollen künftig die Fahrer nach einer kurzen Frist von einigen Tagen jeweils zum Tarif des Landes entlohnt werden, in dem sie gerade unterwegs sind. Alle vier Wochen sollen sie in das Land zurückkehren müssen, in dem ihr Arbeitgeber registriert ist. Und ihre wöchentliche Ruhezeit sollen sie nicht mehr in ihrer Lkw-Kabine verbringen, sondern in Hotels.

„Dies diskriminiert die Fuhrunternehmen der Staaten an der europäischen Peripherie zugunsten derjenigen West- und Mitteleuropas”, behauptet Bulgariens Transportminister Rosen Scheljaskow. Er besteht auf einer Verschiebung des Verbots der Nutzung der Fahrerkabine, bis es in Europa eine angemessene Infrastruktur gebe. Solange nicht genügend bewachte Parkplätze vorhanden seien, könnten Fernfahrer nicht verpflichtet werden, in Hotels zu übernachten. Bei Diebstahl oder Beschädigung von Fahrzeug oder Transportgut werde keine Versicherung den Schaden übernehmen. Zudem verletze die Verpflichtung, alle vier Wochen nach Hause zu fahren, das EU-Bürgern garantierte Recht auf Freizügigkeit. „Die Fahrer müssen selber bestimmen können, wo sie ihre Freizeit verbringen wollen”, sagt Bulgariens Transportminister.

Die Transportbranche gehört in Bulgarien traditionell zu den bedeutendsten Wirtschaftssektoren. Nach Angaben ihrer Branchenverbände trägt sie mit knapp 12.000 Firmen rund 17 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Etwa 120.000 Beschäftigte hängen mit ihren Familien davon ab.

„Seit jeher hatten unsere Fuhrunternehmen drei Destinationen – die eine war der Nahe Osten, wo jetzt Krieg geführt wird, so dass wir dahin nicht fahren können. Die andere waren die früheren Sowjetrepubliken, wohin wir wegen des Embargos kaum Güter transportieren können. Und die dritte war Westeuropa. Wird uns die Möglichkeit genommen, in Westeuropa Güter zu transportieren, stehen massenhaft Pleiten bevor”, sagt Michail Rangelow vom Forum Balkantransporte und Infrastruktur. Und der Vorsitzende des Verbands der Fuhrunternehmen, Jordan Arabadschiew, warnt, Bulgariens Fuhrunternehmer müssten dann wohl ein Referendum über einen EU-Austritt initiieren.

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