Syrien-Krieg erreicht Beirut Anschlag gegen Irans Botschaft

Beirut · Der Syrien-Krieg geht unaufhörlich weiter: Das Selbstmordattentat im Libanon gilt als Vergeltung für Teherans Einmischung im Nachbarland.

Syrien-Krieg erreicht Beirut: Anschlag gegen Irans Botschaft
Foto: dpa, Str

Überall Trümmer und Glasscherben, an vielen Stellen flackern Brände, auf dem Boden liegen Tote und Verletzte: Das Gelände an der iranischen Botschaft in Beirut gleicht einem Schlachtfeld. Das stark gesicherte Gebäude der diplomatischen Vertretung selbst scheint indes weitgehend unbeschädigt. Eine Überwachungskamera zeigte nach Informationen libanesischer Behörden, wie eine Person zur Mauer des Botschaftsgeländes rannte und sich dann in die Luft sprengte. Danach sei ein Auto explodiert, das zwei Häuser von der Botschaft entfernt gestanden habe.

Mindestens 24 Menschen starben bei dem Doppel-Attentat. Unter den Opfern sei auch der iranische Kulturattaché, hieß es in libanesischen Regierungskreisen. 146 Menschen seien verletzt worden, sagte der Vize-Gesundheitsminister in Beirut. Die "Abdullah-Assam-Brigaden", ein libanesischer Ableger des internationalen Terrornetzwerks Al Qaida, übernahmen kurz darauf die Verantwortung für die Bluttat.

Hintergrund des Anschlags in Beirut ist offenbar der Bürgerkrieg in Syrien. Syriens Präsident Baschar Assad gehört der religiösen Minderheit der Alawiten an — einer Splittergruppe der Schiiten. Er ist der engste Verbündete Teherans. Sein säkulares Regime ist Irans wichtigster Brückenkopf in der arabischen Welt, sein Sturz wäre für die Mullahs deswegen eine strategische Niederlage. Als die sunnitischen Rebellen im Sommer 2012 militärische Erfolge feierten, gab der Iran deswegen seinem politischen Zögling, der libanesischen Hisbollah-Miliz, Weisung, in Syrien einzugreifen. Tausende Hisbollah-Kämpfer strömten daraufhin ins Nachbarland und halfen Assad, das Blatt zu wenden.

Rund 20.000 Dschihadisten in Syrien

Mehr als 250 Hisbollah-Kämpfer sollen gefallen, mehr als 1000 verletzt worden sein — eine nicht unerhebliche Zahl für eine Organisation mit geschätzt 20.000 Soldaten. Die Hisbollah ist die effektivste Waffe in Assads Arsenal: Sie eroberte Städte zurück, kämpfte jetzt bei einer Offensive in Kalamun mit, die den Belagerungsring um Damaskus brechen soll. Doch diese militärischen Erfolge könnten zum Pyrrhussieg werden. Denn sie spornen Assads Feinde an, den Krieg an andere Fronten zu verlegen.

Syriens Opposition besteht längst nicht mehr nur aus syrischen Nationalisten. Rund 20.000 Dschihadisten aus aller Welt, so eine israelische Schätzung, befinden sich derzeit in Syrien, um ihren sunnitischen Brüdern im Kampf gegen die verhassten, von Teheran und der Hisbollah gestützten Alawiten beizustehen. Dabei erhalten sie Hilfe von arabischen Golfstaaten, die das Blutvergießen in Syrien nutzen, um ihren Erzfeind zu schwächen. Weil das Assad-Regime dennoch in den vergangenen Wochen militärische und propagandistische Erfolge verbuchen konnte, weicht die sunnitische Al Qaida jetzt offenbar in den Libanon aus. Denn die Sunniten dort, immerhin ein Drittel der Bevölkerung, sind aufgebracht, weil die Hisbollah sich nicht bloß an die Seite Assads stellt, sondern inzwischen offen damit prahlt. Die Waffen der Hisbollah, die der Propaganda zufolge dem Kampf gegen Israel dienen sollten, töten jetzt Verwandte sunnitischer Libanesen in Syrien.

Das Attentat in Beirut ist nicht der erste Racheakt gegen Schiiten: Die Hochburg der Hisbollah, das Viertel Dahia in Süd-Beirut, wurde bereits im Sommer zum Ziel von Terrorangriffen, die 27 Menschen töteten. In Scharmützeln zwischen Gegnern und Anhängern Assads vor allem im Nordlibanon kommen jeden Monat rund 100 Menschen ums Leben. Dennoch bedeutet der Anschlag auf Irans Botschaft eine Eskalation. Die Drahtzieher kündigten an, so lange Anschläge gegen den Iran, die Hisbollah und Syrien zu verüben, bis die Schiiten-Miliz und der Iran sich aus Syrien zurückziehen. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte indes erst vergangene Woche erklärt, er werde in Syrien kämpfen, bis die "Terroristen" besiegt seien.

Der syrische Bürgerkrieg bedroht längst die gesamte Region, nicht nur wegen der gewaltigen Flüchtlingsströme, die Libanon, Jordanien und die Türkei destabilisieren. Auch Grenzregionen des Irak sind bereits von Kämpfen betroffen. Das Attentat auf die iranische Botschaft in Beirut könnte der nächte Schritt auf dem Weg zu einem syrisch-irakisch-libanesischen Bürgerkrieg sein.

(RP)
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