Plage im Wald Sexfalle gegen nimmersatte Raupen

Ingolstadt (rpo). Sie sind klein und haben einen riesigen Hunger: In diesem Jahr setzen Raupen dem Wald in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen besonders stark zu. Der Heißhunger der Raupen von Schwammspinner, Frostspanner und Eichenprozessionsspinner schadet den Bäumen. Die Raupen sollen jetzt mit sogenannten Sexfallen gelockt werden.

"Die Witterung der letzten Jahre war für die Insekten günstig", sagt die Sprecherin der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Gerlinde Nachtigall. Die Falter profitieren noch heute vom trockenen und langen "Supersommer" 2003.

Für Aufsehen sorgt vor allem der Eichenprozessionsspinner: Die Raupe macht auch dem Menschen zu schaffen, da ihre Gifthaare Juckreiz, Ausschläge, Augenreizungen und Atemprobleme verursachen können. In Südhessen wurden in der ersten Junihälfte mehrere Kindergärten sowie Teile einer Schule vorübergehend geschlossen, weil in der Nähe Eichen befallen waren. Beim Gesundheitsamt Darmstadt melden sich seit drei Wochen vermehrt Bürger, die über entsprechende Symptome klagen.

Auch in wärmeren Regionen Baden-Württembergs, besonders in der badischen Ortenau, macht der Schädling Probleme. "Die Raupe breitet sich massiv aus", sagt der Leiter der Abteilung Waldschutz bei der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg, Hansjochen Schröter. Manche Areale habe man absperren müssen. Die Insekten hätten sich bereits seit den 80er, vor allem aber seit den 90er Jahren vermehrt. "Wenn's so weiter geht, wird es bedrohlich", sagt Schröter. Trockenheit und Wärme seien optimal für die Tiere. Außerdem hätten die Raupen wegen ihrer Gifthaare kaum Feinde. "Da wagt sich kein Vogel ran", erklärt der Experte, der vor ein paar Tagen selbst mit den Haaren in Berührung kam: "Mich juckt es an den Beinen", berichtet er. Empfindlichere Leute würden daran richtig leiden.

Ältere Larven bilden ein Eiweißgift, das in den Haaren enthalten ist. Daher dürfe man sie nicht berühren, mahnen Experten. Aber auch der Wind kann die kurzen, mit einem Widerhaken versehenen Härchen verbreiten, die Jahre lang intakt bleiben können. Daher sollte man einen weiten Bogen um betroffene Bäume machen.

Die Raupen treten stets in Scharen auf. "Von Beginn an leben sie in geselligen Familienverbänden und sammeln sich nestartig an locker zusammengesponnenen Blättern oder Zweigen", heißt es in einem Merkblatt der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Wenn die Tiere älter sind, bauen sie sich Gespinstnester mit bis zu einem Meter Länge. Von dort aus brechen sie nachts, dicht gedrängt wie bei einer Prozession, in die Baumkronen auf und machen sich über die Blätter her. Erst im Morgengrauen kehren sie in ihre Nester zurück. Ende Juni verpuppen sie sich. Nach drei Wochen schlüpfen unauffällige Falter.

Nachtigall zufolge hat die Raupe auch in Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt Bäume kahl gefressen. Der Schaden, den die Insekten den Eichen zufügen, halte sich aber generell in Grenzen."Gesunden Bäumen macht das nicht so viel aus", sagt sie. Problematisch sei es, wenn die Eichen über mehrere Jahre hinweg kahl gefressen würden oder weitere Stressfaktoren wie Dürre hinzukämen.

Sexfalle zeigt Gefahr an

Mehr Sorgen macht den Forstleuten der Schwammspinner, der es besonders auf Eichen und andere Laubbäume abgesehen hat: Er ist zwar für den Menschen völlig ungefährlich, kann aber ganze Wälder bedrohen. 1993 richtete die Raupen des wärmeliebenden Insekts nach einer Massenvermehrung in Hessen und Nordbayern arge Schäden an. "Das war sehr, sehr schlimm", sagt Nachtigall. Der Falter baue über Jahre eine Population auf, die mit Erreichen eines Höhepunktes von selbst zusammenbreche, erklärt sie. Dieses Jahr sei die Spitze noch nicht erreicht worden.

Seit 1993 haben die Forstbetriebe in Hessen den Schwammspinner im Auge. Laut Horst Marohn vom Landesbetrieb Hessen-Forst ist die Situation derzeit nicht bedrohlich. Das zeigten Fangzahlen aus Fallen, in die männliche Exemplare mit einem Sexuallockstoff gelockt werden. In Unter- und Mittelfranken wurde das Insekt nach Angaben der Bayerischen Landesanstalt im Frühjahr mit einem Insektizid bekämpft.

Eher harmlos ist dagegen der bundesweit verbreitete Frostspanner. Die Raupen, die fast alle Laubbäume befallen, schlüpfen im Frühjahr und verpuppen sich Anfang Juni. So kann der Baum nochmal neu austreiben. "Problematisch wird es nur, wenn die Johannistriebe auch noch abgefressen werden", sagt Markus Blaschke von der Bayerischen Landesanstalt. Die hellgrünen Raupen machen beim Kriechen einen Katzenbuckel. Hobbygärtner können ihre Bäume vor diesem Schädling schützen, indem sie im Herbst Leimringe am Stamm anbringen. Dort bleiben die Weibchen hängen, wenn sie im Spätherbst zum Eierlegen in den Baum kriechen wollen. Zu Frühlingsbeginn sollte man die Ringe aber wieder abnehmen, da sonst auch nützliche Insekten gefangen werden.

(ap)
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