Xanten "Der Dom liegt den Menschen am Herzen"

Xanten · In Xanten wurde gestern mit einer großen Feier der Grundsteinlegung des Doms vor 750 Jahren gedacht. Auch Hannelore Kraft kam.

 Der Münsteraner Bischof Felix Genn begrüßt im Xantener Dom die über 1000 Gäste zur großen Jubiläumsfeier.

Der Münsteraner Bischof Felix Genn begrüßt im Xantener Dom die über 1000 Gäste zur großen Jubiläumsfeier.

Foto: Olaf Ostermann

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Fast ist es so, als habe der Jesuit Joseph Hermann Mohr (1834–1892) das Kirchenlied eigens für den alten Viktorsdom zu Xanten geschrieben. Denn die gotische Kathedrale, zu der am 11. August des Jahres 1263 Propst Friedrich von Hochstaden den Grundstein legte – erhebt sich tatsächlich weit übers niederrheinische Tiefland. Ihre markante Doppelturmfassade – damals wird es ein Markierungspunkt des Glaubens gewesen sein; inzwischen ist sie ein Anziehungspunkt für Touristen, und gestern war sie die Wegmarke zur Jubiläumsfeier: 750 Jahre Dom!

 Ministerpräsident Hannelore Kraft bei ihrem Grußwort im Dom.

Ministerpräsident Hannelore Kraft bei ihrem Grußwort im Dom.

Foto: Ostermann, Olaf (oo)

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Zu diesem Kirchenlied ereignet sich der Einzug: die Ritter des Ordens vom heiligen Grab, fahnenbewehrt die Schützenbruderschaften von St. Viktor und St. Helena – der Xantener Stiftsgründerin – sowie Vertreter der Kolpingfamilie, schließlich die Konzelebranten mit Bischof Felix Genn an ihrer Spitze. Segensgrüße links und rechts, doch als Genn zur vorderen Bankreihe kommt, schert er kurz aus und schüttelt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ganz weltlich und ganz kurz die Hand.

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Als Hannelore Kraft an den Ambo tritt, ist das Pontifikalamt schon vorbei. Sie hat zunächst den mächtigen Dom im Sinn – 70 Meter ist er lang, 80 Meter hoch sind seine Türme. Eins der wichtigsten Bauwerke auch über Nordrhein-Westfalen hinaus, sagt sie. 281 Jahre habe man daran gebaut, und heute mühten sich pausenlos die Handwerker, es für unsere Nachkommen zu erhalten. Das lässt nur einen Schluss zu: "Dieser Dom liegt den Menschen ganz offenbar am Herzen." Worte, die die 1000 Gläubigen im Dom stärker erreichen als ihre obligate Deutung der Kathedrale als Sinnbild christlicher Werte.

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Auch die kleine Marina Bodden aus Xanten wollte dem Dom zum runden Geburtstag gratulieren und hat ihm deshalb einen Brief geschrieben. Der wird nun verlesen: "Lieber Dom, Du bist 750 alt und begleitest jeden von uns schon eine lange Zeit . . . Du hast viel überstanden und durchmachen müssen, doch du stehst immer noch. Beeindruckend." Und am Ende heißt es einfach und ehrlich: "Du bist es, der viele fasziniert. Und deswegen ist es schön, dass es dich gibt." Still ist es bei diesen Worten im Dom.

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Es gibt auch einen Festvortrag. Und den hält der Theologe und Kunsthistoriker Reinhard Hoeps aus Münster. Doch Hoeps will vor allem eins: einen Festvortrag halten und das mehr als nötig. Also referiert er, was er bei den einschlägigen Forschern der vergangenen Jahrhunderte so alles über gotische Kathedralen gefunden und erfahren hat. Und weil Hoeps viel gelesen hat, werden viele große Geister herbeizitiert. Interessant ist das nicht, aber umfassend. Dass er bei den Dom-Betrachtungen des Georg Forster (1754–1794) einen mehr ästhetischen denn sakralen Zugang erkennt, ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich war Forster flammender Anhänger der Französischen Revolution und eine Art deutscher Jakobiner, also ohnehin kein Kirchenfreund. Was nicht weiter tragisch ist, da sich alle schönen Forster-Zitate ohnehin nur auf den Kölner Dom beziehen. In Erinnerung bleibt dieses Zitat, dass der Dom zu jenen Orten gehört, die "von allen Orten des gewöhnlichen Lebens verschieden sind und doch all diese Orte bedenken".

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Ob Bischof Genn an diesem Morgen auch an seine Heimat gedacht haben mag? Trier verdankt seine Stadt wie Xanten den Römern; und beide sind große Orte christlichen Glaubens und großer Kathedralen. Wir fragen ihn nach dem Pontifikalamt und hören das: Dies habe er auch gedacht, aber dann doch nicht zu sagen gewagt. Na ja, einen Unterschied gibt es ja doch noch. Welchen, will der Bischof aus Münster wissen. Den Weinanbau. Da lacht Genn – der Riesling-Kenner – und geht in den Kreuzgang zu all den anderen, die bei Schnittchen und etwas Wein beisammenstehen und den Tag, den Dom und ihre Stadt bedenken. Diese drei hatte Bürgermeister Christian Strunk zuvor als wunderbar bezeichnet.

"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land." Wunderbar – und auch sehnsuchtsvoll im Sinne des Bischofs. Der hatte an die Märtyrer erinnert, die den Dom mit der Gedenkstätte in der Krypta prägen, und in der Predigt schließlich über die Entgrenzung von Kirche, eine Entgrenzung in die Hoffnung hinein. Was für eine Zeit: 750 Jahre. Stolz darauf waren alle am gestrigen Morgen; und bescheiden zugleich. Denn welche Rolle spielt man selbst in dieser 750 Jahre zählenden Geschichte? Und welche Verantwortung lastet damit auch auf jedem?

(RP)
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