Studie zu Chancen im deutschen Bildungssystem Migranten wollen keine Klassen mit zu vielen Migranten

Düsseldorf · Gerade erst hat der jüngste Pisa-Test gezeigt, dass Kinder von Migranten und aus armen Elternhäusern noch unzureichend gefördert werden. Nun widmet sich eine weitere Studie der Bildung von Migranten in Deutschland – und zwar aus Sicht der Betroffenen. Eine Erkenntnis: Viele sehen ihren Migrationshintergrund als Problem, wenn es um das deutsche Bildungssystem geht.

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Foto: dpa, Armin Weigel

Gerade erst hat der jüngste Pisa-Test gezeigt, dass Kinder von Migranten und aus armen Elternhäusern noch unzureichend gefördert werden. Nun widmet sich eine weitere Studie der Bildung von Migranten in Deutschland — und zwar aus Sicht der Betroffenen. Eine Erkenntnis: Viele sehen ihren Migrationshintergrund als Problem, wenn es um das deutsche Bildungssystem geht.

120 Tiefeninterviews hat die Universität Düsseldorf für ihre Studie "Bildung, Milieu, Migration" im Auftrag der Vodafone Stiftung und der Stiftung Mercator geführt. Eines davon mit Hassan El Moussaoui, das auch auf Youtube zu sehen ist. Der junge Mann ist Musiker und macht gerade sein Abitur nach. Er erzählt, dass er einst das einzige Migrantenkind in seiner Klasse war. "Das war immer schwer, mich da zu beweisen", sagt er und erzählt auch davon, dass eine weitere Hürde gewesen sei, dass er erst mit den Jahren die deutsche Sprache erlernt habe.

Die Folge: Irgendwann flog er von der Schule, wurde auf eine Hauptschule geschickt. Das habe dann erst recht nicht funktioniert, berichtet der junge Mann in dem Video. Das sei auch der Grund, warum bei ihm alles so verzögert stattfinde, sagt er mit Hinblick auf sein spätes Abitur. Damit steht Hassan El Moussaoui nicht allein da, wie die ersten Ergebnisse der Studie zeigen, die am Mittwoch veröffentlicht wurden.

Verzögerungen im Bildungslebenslauf

Dort heißt es, Menschen mit Migrationshintergrund verlören auf dem Weg durch das deutsche Bildungssystem oft wertvolle Lebensjahre. Ihre Fähigkeiten, Möglichkeiten und Potenziale würden über den gesamten Bildungsverlauf systematisch unterschätzt. Dies liege nicht nur an Sprachproblemen und damit einer Zurückstufung der Schüler, sondern auch daran, dass Eltern oft nur mangelhaft über den Aufbau des hiesigen Schulsystems informiert würden. Auch bestünden nach wie vor Vorurteile bei Schulen und Behörden.

Diese Erfahrung hat auch Nazan Wagner gemacht, deren Interview ebenfalls auf Youtube zu sehen ist. Sie sagt darin, dass zu ihrer Zeit viele Migrantenkinder wegen mangelnder Sprachkenntnisse auf Sonder- oder Hauptschulen geschickt worden seien. Sie sagt daher, man solle schon in der Kita mit der Sprachförderung anfangen und auch die Eltern mehr über das deutsche Schulsystem informieren.

Die nun veröffentlichten Ergebnisse der Studie und auch die Interviews machen dabei deutlich, dass sich die Menschen mit Migrationshintergrund durchaus bewusst sind, dass eben dieser Hintergrund problematisch sein kann im deutschen Bildungssystem. Hassan El Moussaoui etwa sagt, dass er das Gefühl habe, wenn jemand in einem bestimmten Kreis nicht funktioniere, dann werde er in einen Kreis gesteckt, von dem man denke, da gehöre die Person hin.

Einzelne Lehrer entscheidend für Erfolg und Misserfolg

Diese Ansicht scheint so mancher von der Universität Düsseldorf Befragte zu teilen. Denn die Studie ergab auch, dass viele Migranten ihre Kinder selbst nicht auf Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund schicken wollen. "Viele Migranten beklagen, dass ihre Kinder geringere Chancen in der Schule haben, weil in den Klassen zu viele Kinder mit Migrationshintergrund sind", erläutert Meral Cerci, Projektleiterin der Universität für die Studie in der "Welt".

Auf der anderen Seite wünschten sich viele Eltern und Schüler mehr Lehrer mit Migrationshintergrund. Denn auch das zeigt die Studie: Der Erfolg der Schüler hängt in hohem Maße von einzelnen Lehrern ab — und das sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Also etwa, wenn eim Schüler Anzeichen für Diskriminierung spüre oder im Gegensatz ein Lehrer die Schüler mit Migrationshintergrund besonders stark fördere.

Die Studienmacher verdeutlichen auch, dass die Eltern mit Migrationshintergrund oft große Anstrengungen unternähmen, um ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen. Aber: "Vielen von ihnen fehlt nicht nur das Geld für die heute fast obligatorische Nachhilfe, sondern oft auch das Wissen darüber, wie sie ihren Kindern in der Schule am besten helfen können", wie Vodafone-Stiftungsgeschäftsführer Mark Speich sagt.

Noch ist die Studie übrigens nicht beendet, sie soll im nächsten Jahr mit einer Repräsentativerhebung fortgeführt werden.

(das)
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