Münster Als BWLer gegen den Rest der Welt

Münster · Der Arbeitsmarkt für Betriebswirte ist nicht mehr so verheißungsvoll wie noch vor einigen Jahren.

Die einen träumen von einem Job mit dickem Gehalt und Dienstwagen, andere wollen einfach etwas Solides studieren und landen eher zufällig bei Betriebswirtschaftslehre (BWL). Sicher ist nur: Für kein anderes Fach sind so viele Studierende eingeschrieben. Doch vermutlich werden auch in kaum einem anderen Studiengang so viele Hoffnungen enttäuscht. Der Arbeitsmarkt für BWLer ist längst nicht mehr so rosig wie noch vor einigen Jahren. Um Chancen auf einen spannenden und lukrativen Arbeitsplatz zu haben, müssen Absolventen aus der Masse herausstechen.

Die Zahl der Blauäugigen sei in der Betriebswirtschaft nach wie vor relativ hoch, sagt Claudia Frieling, Karrierecoach aus Münster. "Die haben ihr Studium eher nach Schema F durchgezogen, wollen dann ins Marketing, weil sie halt Werbung irgendwie spannend finden - und der Arbeitgeber soll am besten noch ein bekannter Weltkonzern sein", sagt sie. Das gelinge nur selten.

Wer sich ein realistisches Bild von seinem Berufsfeld macht, merkt schnell: Die Masse der Jobs gibt es nicht bei Weltkonzernen mit klingenden Namen, sondern bei unbekannten Mittelständlern. Und Betriebswirte sind nicht mehr zwangsläufig die Manager in den oberen Etagen. Die meisten unbesetzten Jobs gab es zuletzt im Einzelhandel, sagt Ralf Beckmann, Arbeitsmarktexperte bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Generell ist Betriebswirtschaft erst mal nur ein Sammelbegriff für viele verschiedene Tätigkeiten.

Um in der Vielfalt den richtigen Job zu finden, müssen Studenten wissen, was zu den eigenen Interessen und Stärken passt, erklärt Frieling. Nach dem Studienabschluss dürfen Absolventen nicht zu viel erwarten. Statt mit einem gutdotierten Job und großer Verantwortung beginnt der Arbeitsalltag für die meisten unglamourös. "Man ist am Anfang nicht gleich eine Führungskraft, sondern eher ein besserer Verwaltungsangestellter", sagt Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbands der Personalmanager in Berlin. Das durchschnittliche Gehalt liege bei etwa 40 000 Euro im Jahr. Gerade in großen Unternehmen müssten sich junge Betriebswirte erst einmal weit unten in der Hierarchie einordnen. Die wirklich spannenden und lehrreichen Jobs für Neulinge schlummern deshalb oft im Verborgenen: bei mittelgroßen, relativ unbekannten Firmen.

Und noch eine Entwicklung sehen Experten. Während früher schnurgerade Biografien mit hohen Uni-Abschlüssen gefragt waren, schauten die Personalentscheider heute eher auf Lebenserfahrung, ergänzt Sauer. Gerade in Zeiten der immer stärker verschulten Studiengänge werde Praxiserfahrung zu einem unschätzbaren Wettbewerbsvorteil auf dem Arbeitsmarkt. Immer mehr Firmen setzten deshalb gar nicht auf die theoretisch sehr gut ausgebildeten Master-Absolventen. Ein Bachelor-Absolvent, der noch ein Trainee-Programm im Unternehmen durchlaufe, sei den Personalentscheidern oft lieber, sagt Sauer.

(DPA-TMN)
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