Carsten S. gesteht Düsseldorfer Terrorhelfer lieferte Waffe für Neonazi-Morde

Düsseldorf · Bei seiner Verhaftung ging der Generalbundesanwalt von Beihilfe zu sechs Morden aus. Doch jetzt gestand Carsten S., der Terror-Zelle die Ceska geliefert zu haben, mit der neun Menschen erschossen wurden.

Neonazi-Terror: Die Chronologie der Morde
Infos

Neonazi-Terror: Die Chronologie der Morde

Infos
Foto: dapd

Die Waffe, mit der das Zwickauer Trio seine Mordserie beging, hat wohl der vor wenigen Wochen in Düsseldorf festgenommene Carsten S. den Tätern besorgt. Bei einer Handfeuerwaffe mit Schalldämpfer, die er zwischen Herbst 1999 und Sommer 2000 an die damals bereits untergetauchten Terroristen lieferte, habe es sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um die tschechische Ceska 83 gehandelt, die bei den neun Morden an türkischen und griechischen Kleinunternehmern benutzt worden war, zitiert die Deutsche Presseagentur den Anwalt des 31-Jährigen.

Der habe, erklärte Generalbundesanwalt Harald Range verlauten, umfassend ausgesagt und dabei "auch glaubhaft" erklärt, dass er sich "schon vor Jahren aus der rechtsextremistischen Szene gelöst" habe.

Carsten S. hatte auch bei der Düsseldorfer Aidshilfe, die ihn seit sechs Jahren als Präventionsberater und in der schwul-lesbischen Jugendarbeit beschäftigte, kein Geheimnis daraus gemacht, früher in der thüringischen Neonazi-Szene aktiv gewesen zu sein. Der gebürtige Jenaer war Funktionär in der Jugendorganisation der NPD, hatte enge Kontakte zum sogenannten Thüringer Heimatschutz, in dem auch die Zwickauer Mörder aktiv gewesen waren.

Im Jahr 2000 aus der braunen Szenen ausgestiegen?

Im Jahr 2000 will S. mit der Szene gebrochen haben, kam 2003 zum Sozialpädagogik-Studium ins Rheinland. Bis dahin, so heißt es, seien seine Kontakt zu den rechtsextremen Kameraden rein privat gewesen. Auch zum früheren NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der inzwischen ebenfalls in Haft sitzt. Von ihm, so hat es Carsten S. nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ausgesagt, habe er das Geld für die tschechische Waffe bekommen, die Im November in den Trümmern der Zwickauer Wohnung gefunden worden war. Erst dann, so der Anwalt von Carsten S., habe sein Mandant von den Morden erfahren.

Neonazi-Trio zahlte 2500 Mark für die Waffe

Für die Waffe soll das Zwickauer Trio 2500 D-Mark gezahlt haben, berichtet der "Spiegel" unter Berufung auf Ermittlungen der Bundesstaatsanwaltschaft. Demnach traf er sich für die Übergabe mit Uwe Böhnhardt in einem Abbruchhaus in Chemnitz, wo sich Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe seinerzeit versteckten zu dem Zeitpunkt aufhielten. Dort soll er den Ermittlungen zufolge auch 50 Schuss Munition mit der Waffe weitergegeben haben. Damals war Carsten S. 19 Jahre alt.

Doch wie kam die Waffe zu Händen von Carsten S.? Die in Tschechien Hergestellte Ceska soll nach "Spiegel"-Informationen 1993 zunächst zu einem Waffenhändler in der Schweiz. Dieser verkaufte sie über eine Waffenzeitschrift an einem Schweizer, der sie an einen Stammtischbekannten weitergab. Danach soll die Waffe über einen Zwischenhängler aus dem kriminellen Millieu nach Deutchland gelangt sein. Die Waffe landete bei einem polizeibekannten Neonazi in Jena, der sie an Carsten S. verkaufte.

Als S. die Waffe zwischen Ende 1998 und Mitte 2000 nach Chemnitz brachte, habe S. nichts von geplanten Straftaten gewusst. Als ihm klar geworden sein muss, dass es die von ihm beschaffte Ceska war, die der beispiellosen Mordserie den amtlichen Namen "Ceska-Morde" eingebracht hatte, lebte S. in Düsseldorf ein völlig anderes Leben.

In Düsseldort arbeitete S. bei der Aidshilfe

Schon als Student an der Fachhochschule hatte er sich in der Schwulenszene engagiert, beriet bei der Aidshilfe auch Opfer rechtsextremer Gewalt. Im Stadtteil Oberbilk, eines der Düsseldorfer Viertel mit besonders hohem Migranten-Anteil, lebte er mit seinem Partner in einer Altbauwohnung, kämpfte in der schwul-lesbischen Jugendarbeit gegen die Verbreitung des HI-Virus. Seine Projekte bei der Aids-Hilfe liegen seit dem 1. Februar brach.

An diesem Morgen hatte die GSG 9 die Wohnung gestürmt und Carsten S. nach Karlsruhe geflogen. Zeugen hatten die Fahnder, die die Spur der Waffe verfolgten, auf den 31-Jährigen aufmerksam gemacht, der den Ermittlern der "Sonderkommission Trio" seither reichlich Informationen geliefert haben soll. Die Düsseldorfer Aids-Hilfe hat das Arbeitsverhältnis mit Carsten S. inzwischen aufgelöst. "Wir müssen ja die Arbeit fortsetzen, können nicht eine aus öffentlichen Mitteln geförderte Stelle freihalten", sagte Geschäftsführer Peter von der Forst. Die Vertragsaufhebung sei mit dem Anwalt von S. abgestimmt und auch in dessen Sinn, denn der ehemalige Mitarbeiter wolle nicht, dass die Arbeit der Aids-Hilfe leide. "Schließlich ist die Dauer des Verfahrens nicht absehbar."

Das hat sich nur wenige Stunden nach dieser Erklärung von der Forsts geändert, als der Anwalt das Geständnis seines Mandanten bestätigte. Für die Beschaffung der Ceska droht S. eine Verfahren wegen Beihilfe zu neun Morden.

(RP/felt/csr/rm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort