Geheime Tochter? Kinderschänderring? Wilde Spekulationen um Natascha Kampusch

Wien/Berlin · Steckte ein Kinderschänderring hinter der Entführung von Natascha Kampusch? Hat die Gekidnappte eine Tochter? Warum ermittelte ein Polizist auf eigene Faust? Und was hat die FPÖ mit dem Fall zu tun? Seit Tagen überschlagen sich die Meldungen im Fall Kampusch, die Verschwörungstheorien beschäftigen ganz Österreich.

Dokumentation "Natascha Kampusch - 3096 Tage Gefangenschaft"
8 Bilder

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Am Donnerstag berichtete das österreichische Nachrichtenportal "Die Presse" über eine neuerliche Wendung im Fall Kampusch. So soll die Entführte, die acht Jahre von Wolfgang Priklopil in einem Verlies eingesperrt und missbraucht worden war, angeblich eine Tochter haben.

Daraufhin hatte ein Polizist unter dem Vorwand, an einer niederösterreichischen Schule Verkehrsunterricht geben zu wollen, DNA-Proben von einem Mädchen entnommen. Der Beamte aus Wien ermittelte auf eigene Faust, ohne behördlichen Auftrag und in der Hoffnung, die geheimgehaltene Tochter von Kampusch zu finden.

Polizist ist FPÖ-Mitglied

Der Beamte, der gleichzeitig Mitglied des Gemeinderats der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) in einem Wiener Vorort ist, wollte mit seinem Alleingang eine von der FPÖ vertretene Verschwörungstheorie überprüfen. Deren Chef Heinz-Christian Strache hatte gefordert, eine eventuelle Schwangerschaft von Kampusch während ihrer Gefangenschaft aufzudecken.

In Österreich kochten die Emotionen hoch. Die Mutter des Schulkindes erstattete Anzeige und ein DNA-Test ergab schließlich, dass es sich um ihr leibliches Kind handelte. Bizarre Meldungen wie diese befeuern fast täglich die öffentliche Diskussion in Österreich über bisher ungeklärte Details.

Handelte Täter nicht alleine?

Ein weitere Theorie: Die Tat war nicht die Tat eines Einzelnen. Kampusch wird zwar nicht müde zu erwähnen, dass es immer nur einen Täter gab, der sie entführt und 3096 Tage festgehalten habe. In Österreich bleibt auch die Zahl derer standhaft, die überzeugt sind, dass Priklopil die heute 24-Jährige nicht unbemerkt und ohne Hilfe über so einen langen Zeitraum festhalten konnte.

"Aus meiner Sicht ist eine Einzeltätertheorie nur schwer aufrechtzuerhalten", hatte der Vorsitzende des parlamentarischen Geheimausschusses, Werner Amon (ÖVP), dem "Spiegel" jüngst gesagt.

Dem Nachrichtenmagazin zufolge deuten die Untersuchungen des Ausschusses darauf hin, dass jemand Priklopil bei seinem angeblichen Selbstmord geholfen oder ihn gar getötet habe. Der zweite Mann könnte demnach ein Komplize sein, der auch an der Entführung beteiligt war. Einige vermuten gar einen ganzen Kinderschänderring hinter der Entführung oder Verbindungen in die österreichische Pädophilen- und Sado-Maso-Szene.

Schlampige Ermittlungen

Licht ins Dunkel sollten eigentlich die Ermittler bei der Vorstellung des Abschlussberichts 2010 geben. Doch auch hier wurden Pannen aufgedeckt. Kritik hatte es am Vorgehen der Ermittler gegeben: Kurz nachdem Priklopil Kampusch entführt hatte, sei einem Hinweis nicht nachgegangen. Als einen großen Fehler bezeichnete dies ein hochrangiger Beamter im Bundeskriminalamt später. Wahrscheinlich ist dies auch ein Grund dafür, warum die Mehrtäter-Theorie weiter kursiert.

Zudem wurde immer seit Aufnahme der Ermittlungen wieder das Vorgehen der Staatsanwaltschaft kritisiert. Sie habe falsch ermittelt, so der Vorwurf. Erst als die Staatsanwaltschaft Innsbruck fünf in den Fall Kampusch involvierte Staatsanwälte wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch entließ, beauftragte das Justizministerium den von Amon geleiteten Unterausschuss des Innenausschusses.

Opferschützer gegen Wiederaufrollen des Falls

Wie die österreichische Nachrichtenagentur APA nun berichtete hat der Präsident der Opferschutzorganisation "Weißer Ring", Udo Jesionek, sich gegen das Wiederaufrollen des Falls Kampusch ohne neue Beweise ausgesprochen.

Er sprach in einem Interview mit dem ORF-Radiosender Ö3 von einem "verantwortungslosen" Vorgehen der Politiker in dem Untersuchungsausschuss, wenn sie den Fall ohne neue Beweise weiterverfolgen sollten: "Natürlich habe ich das Gefühl, dass da Kleingeld gemacht wird. Schauen sie, die Sache ist sehr medienwirksam, die Leute interessiert es und man kann damit von anderen Dingen ablenken", so Jesionek.

"Heilungsprozess wird torpediert"

"Das bringt die Frau nie weg, der ganze Heilungsprozess, der Versuch im Leben wieder Fuß zu fassen, werde dadurch torpediert und das Ganze ist noch mit Verdächtigungen gegen das Opfer verbunden."

Seit Dezember 2011 ist der Ausschuss im österreichischen Parlament mit dfer Causa betraut. Ende März soll es einen Bericht im Fall Kampusch geben.

(rpo/APD/apa)
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