Trauer weicht Wut gegen Regierung Algerien: Über 2000 Erdbebenopfer

Algier (rpo). Vier Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Algerien hat die Zahl der Todesopfer die Marke von 2.000 überschritten. Die Erdstöße hätten bislang mindestens 2.047 Menschen das Leben gekostet, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur APS am Sonntag.

8.626 Menschen seien verletzt worden. Unterdessen schlug die Trauer unter den Betroffenen in Wut auf die Behörden um. Präsident Abdelaziz Bouteflika wurde bei einem Besuch in Boumerdes von aufgebrachten Bewohnern schwer bedrängt.

"Behörden - Mörder", rief die Menge am Samstag dem Staatsoberhaupt entgegen. Sein Auto wurde mit Gegenständen beworfen, einige Bewohner traten gegen das Fahrzeug. Bouteflika blieb unverletzt. Wenig später wurde der Präsident in der Ortschaft Lakhdaria ebenfalls mit Protesten empfangen. Ein älterer Mann warf der Regierung lautstark vor, internationale Mittel für die Erdbebenopfer veruntreut zu haben.

Auch in anderen Dörfern gab es Klagen, dass trotz der Hilfe aus dem Ausland Lebensmittel, Wasser, Strom, Medikamente und Decken fehlten. Die algerische Zeitung "Le Matin" berichtete am Samstag, Innenminister Nourredine Yazid Zerhouni sei während einer Fahrt durch die Ortschaft Bordj Menaiel mit Steinen beworfen worden. "Der Staat hat versagt", hieß es in dem Zeitungsbericht. Hunderte Überlebende hätten aus den Trümmern gerettet werden können, wenn entsprechende Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet worden wären.

Der Architekt Mohamed Laichaoui aus Algier machte betrügerische Bauunternehmer für die schlechte Qualität der Häuser im Erdbebengebiet verantwortlich. Die Firmen hielten sich nicht an technische Normen und sparten beim Beton. "Viele Menschen sind deshalb tot", sagte Laichaoui. Andere legten diese Mängel unmittelbar der Regierung zur Last. Ministerpräsident Ahmed Ouyahia kündigte an, Ingenieure sollten bestraft werden, wenn ihnen Fehler beim Bau nachgewiesen werden könnten. Er versprach, jedes Opfer werde 700.000 Dinar (5.900 Euro) erhalten, außerdem sollten Unterkünfte für die Obdachlosen gefunden werden.

Ein Sprecher des Zivilschutzes, Hakim Mohand, sagte, die Zahl der Todesopfer könne womöglich 3.000 erreichen. Mehr als 72 Stunden nach dem Beben hatten die Retter kaum noch Hoffnung, weitere Überlebende aus den Trümmern zu bergen. Über dem Katastrophengebiet lag der Geruch von Leichen. Angesichts von Tagestemperaturen um 40 Grad Celsius stieg nach Angaben britischer Helfer die Gefahr von Seuchen.

Am Freitagabend hatten Suchmannschaften in der Ortschaft Corso ein zweijähriges Mädchen lebend aus den Trümmern ihres Elternhauses gerettet. Sie war von einer umgefallenen Tür vor dem tonnenschweren Schutt bewahrt worden. Auch die Eltern überlebten das Beben, die vierjährige Schwester starb. Wenige Stunden später konnte auch ein 21-jähriger Kellner unversehrt aus den Trümmern eines Hotels an der Mittelmeerküste geborgen werden.

Das Erdbeben vom Mittwochabend war das schwerste in Algerien seit 1980. Damals wurden etwa 5.000 Menschen getötet.

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