Britische Königin in Deutschland Überraschend politisch — die Queen in Berlin

Berlin · Der fünfte Besuch der britischen Königin in Deutschland ist viel politischer, als die vielen Wink-Bilder vermitteln sollen. Über dem Besuch Elizabeths II. in Deutschland schwebt die Frage, ob die Briten dauerhaft Mitglied in der Europäischen Union bleiben.

Königin Elisabeth II. bei Angela Merkel im Kanzleramt
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Merkel zeigt der Queen das Kanzleramt

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Im großen Hörsaal der Technischen Universität entsteht etwa 15 Minuten vor der erwarteten Ankunft der Queen plötzlich Betriebsamkeit in der ersten Reihe. Eine Mitarbeiterin des Protokolls klebt rasch die Namensschilder der reservierten Plätze um. Die Kanzlerin hat sich überraschend entschlossen, auch an der "Queen's Lecture" teilzunehmen. Der fünfte Besuch der britischen Königin in Deutschland ist viel politischer, als die vielen Wink-Bilder vermitteln sollen.

Der britische Premierminister David Cameron reiste seiner Majestät hinterher, um mit ihr in der deutschen Hauptstadt präsent zu sein. Die Briten sprechen in einem solchen Fall ein wenig despektierlich von "Piggybacking", er kommt also huckepack mit auf Staatsbesuch. Nur wenige Stunden nach dem Empfang der Queen durch Angela Merkel hatte Cameron einen Termin im Kanzleramt. Politisch gibt es zwischen Deutschland und Großbritannien aktuell kein wichtigeres Thema als den möglichen Ausstieg der Briten aus der EU, den sogenannten Brexit.

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Dass auch die Queen und die Kanzlerin darüber gesprochen haben, gilt als wahrscheinlich. Offiziell sagt niemand etwas dazu. Bereits vor dem Besuch verwies Regierungssprecher Steffen Seibert darauf, dass in den 60 Jahren Regierungszeit aus ihren Gesprächen nie etwas herausgedrungen sei.

So bleibt auch die Vorlesung, der Elizabeth II., der Bundespräsident, die Kanzlerin und 1200 ausgewählte Zuhörer lauschen, launig und unpolitisch. Der Direktor des British Museum in London und künftige Gründungsintendant des Humboldt-Forums, Neil MacGregor, beschäftigt sich mit dem, was typisch britisch ist. Nasser Rasen, akkurat geschnitten, James Bond und die Liebe zu Hunden gehören dazu.

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Nur zwei Stunden später geht es im Kanzleramt dann zur Sache. Merkel empfängt den britischen Premierminister am Spätnachmittag. Die britische Frage wird beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag auch eine Rolle spielen. Cameron steht bei dem Thema des drohenden Brexit schwer unter Druck. Er will die Briten unbedingt in der Europäischen Union halten. Während seiner Regierungszeit mit den eher europafreundlichen Liberaldemokraten schlug er selbst jedoch immer wieder EU-skeptische Töne an. Damit befriedigte er die Europa-Kritiker in den eigenen Reihen, heizte die Stimmung im Volk aber an.

Im Wahlkampf versprach er, bis spätestens 2017 ein Referendum über den Verbleib der Briten in der EU abzuhalten. Möglicherweise soll die Abstimmung nun sogar schon im Herbst 2016 stattfinden.

Seit der Parlamentswahl im Mai kann Cameron überraschend allein regieren. Nun will er der EU Reformen abringen, um sein Volk vom Verbleib in der EU zu überzeugen. Für die Kanzlerin hat ein Yes der Briten zu Europa hohe Priorität. Oft genug ist es London, das die deutsche Haltung in der EU stärkt. Die zentrale Forderung der Briten gilt allerdings als nicht erfüllbar: Sie wollen den europäischen Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Gleichbehandlung von EU-Ausländern mit den eigenen Bürgern antasten. Selbst wenn sich die EU darauf inhaltlich einigen könnte, müssten 28 Länder die Verträge neu ratifizieren, teils mit Volksabstimmung. Dies wiederum könnte zu neuen Verwerfungen führen, die die EU auseinandertreiben.

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Bundespräsident Joachim Gauck, der sich als gewähltes Staatsoberhaupt nicht ganz so viel politische Zurückhaltung auferlegen muss wie die britische Königin, sprach das Thema des drohenden Austritts der Briten aus der EU beim abendlichen Staatsbankett an. Seine politische Zurückhaltung besteht darin, dass er keine Signale setzt, ohne sich vorher mit der Kanzlerin abzusprechen. Er sagte beim Bankett, ein "konstruktiver Dialog" über die von Großbritannien in der EU angestrebten Reformen sei unerlässlich: "Deutschland wird diesen Dialog als guter Partner unterstützen." Die Europäische Union brauche Großbritannien.

Die Zusage konkreter Unterstützung in der EU für die Forderungen der Briten kann man den Worten nicht entnehmen. Dass die Deutschen aber so viel Verständnis für die britische Haltung zeigen, belegt: Der Queen-Besuch hat seine politische Mission erfüllt.

(qua)
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