Akzente-Reihe Den Wolken auf den Grund gehen

SCHIEFBAHN · Harald Naegelis Wolkenbilder stehen im Mittelpunkt der Akzente-Reihe der Kirchenmusik der GdG Willich. Am zweiten Advent las der Frankfurter Autor Klaus Reichert dazu aus seinem Buch „Wolkendienst – Figuren des Flüchtigen“.

 In der adventlichen Akzente-Reihe der Kirchenmusik der GdG Willich las der Frankfurter Autor Klaus Reichert in der St. Hubertus-Kirche in Schiefbahn aus seinem Buch „Wolkendienst“.

In der adventlichen Akzente-Reihe der Kirchenmusik der GdG Willich las der Frankfurter Autor Klaus Reichert in der St. Hubertus-Kirche in Schiefbahn aus seinem Buch „Wolkendienst“.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Nach zwei Jahren gibt es wieder eine Akzentreihe in den katholischen Gemeinden Willichs. Bei verschiedenen Veranstaltungen in den vier katholischen Kirchen werden Musik, Kunst und Wort in besonderer Weise miteinander verbunden. 2008 setzten die Akzente Impulse in der Fastenzeit. „Jetzt haben wir uns in den Advent hineingewagt“, sagt Kirchenmusiker Marcell Feldberg, der gemeinsam mit seiner Kollegin Friederike Braun die Reihe konzipiert und durchführt. Das verbindende Element sind aktuell vier „Urwolkenbilder“ von Harald Naegeli. Jeweils eines befindet sich in den katholischen Kirchen in Alt-Willich, Anrath, Neersen und Schiefbahn. Von der ursprünglich geplanten Rotation der Bilder habe man mit Rücksicht auf das Wetter Abstand genommen, erläutert Marcell Feldberg. Nicht ohne Schmunzeln merkt er an, dass das Motto der Akzente 2018 „Ihr Wolken brecht und regnet aus“ angesichts der aktuellen Wetterlage Realität geworden sei.

Am Sonntagabend kam es in der Kirche St. Hubertus Schiefbahn nun zu einer Begegnung mit dem Frankfurter Literaturwissenschaftler, Übersetzer und Autor Klaus Reichert. Marcell Feldberg an der Orgel und die Choralschola St. Johannes Anrath setzten feinfühlige musikalische Impulse. Reichert, ehemaliger Professor für Anglistik und Amerikanistik an der Frankfurter Goethe-Universität sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, las aus seinem 2016 erschienenen Buch „Wolkendienst – Figuren des Flüchtigen“, das auf der Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse stand.

Vorne im Altarraum war eines der Urwolkenbilder von Harald Naegeli gut sichtbar ausgestellt. Der Künstler, ein freundlicher älterer Herr mit dem Zeichenblock auf dem Schoß, verfolgte das Geschehen von der hinteren Kirchenbank aus. Naegeli erlangte Ende der 1970èr-Jahre als der „Sprayer von Zürich“ internationale Bekanntheit, als er illegal öffentliche Gebäude mit den für ihn typischen Figuren besprühte. Seine Urwolkenbilder sind jedoch von anderer Art. Auf weißem Grund erscheint ein schwer fassbares, graues, wolkenartiges Gebilde. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es aus unzähligen Strichen und Punkten in unterschiedlicher Stärke und Verdichtung zusammengesetzt ist.

Den Wolken auf den Grund gehen, will auch Klaus Reichert, mit sprachlichen und poetischen Mitteln. Ein schwieriges Unterfangen, denn genau wie das menschliche Leben seien die Wolken „ein Dampf“, flüchtig, eilend, hell und schwer, heiter und verloren zugleich. Auf unterschiedlichen Wegen nähert er sich dem Wolkenthema an. Er arbeitet sich durch eine Kulturgeschichte der Wolke. „Seit der Mensch aufrecht geht, richtet er den Blick zum Himmel“, konstatiert der Autor. Der Gott Israels erscheint seinem Volk nur in der Wolke, Göttervater Zeus schickt strafende Blitze aus den ihn begleitenden Wolken. In der christlichen Bilderwelt des Mittelalters gehören die Wolken ausschließlich in die Sphäre des Göttlichen, erst die Malerei der Renaissance holt die Wolken auf die Erde zurück. Viele große Geister haben sich mit den Wolken befasst. Leonarda da Vinci und Goethe versuchten sich an naturwissenschaftlichen Erläuterungen. Klaus Reichert nennt Maler, Schriftsteller und Musiker, die sich dem Thema widmeten. Er zitiert aber auch aus seinen eigenen Tagebüchern, schildert darin Wolkenbrüche, Sonnenuntergänge und Bergwanderungen im Nebel. Doch letztlich gilt wohl das, was er selbst sagt: „Eine Geschichte der Wolken lässt sich nicht schreiben. Die Wolken waren immer da.“

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