Wie Geht's, Wesel? Trotz allem: Große Koalitionen bleiben Mist

Wesel · Eine gute Nachricht: SPD und CDU haben sich in Wesel darauf geeinigt, auf die Erhöhung von Grundsteuer und Gewerbesteuer zu verzichten. Und dennoch: Die umfassende Einigkeit schadet der politischen Kultur.

Natürlich ist es für einen Bürger und die Unternehmen in Wesel eine gute Nachricht, wenn CDU und SPD gestern gemeinsam verkündet haben, dass auf Steuererhöhungen verzichtet wird. Die Botschaft ist: Wir gehen nicht weiter an Euren Geldbeutel. Alles bleibt beim Alten. Andererseits: Es wäre schon sehr erstaunlich gewesen, wenn in einer Stadt wie Wesel, deren Haushalt einigermaßen gut aufgestellt ist, die aufgrund einer gesund mittelständisch aufgestellten Wirtschaft auf solide Steuereinnahmen setzen kann, plötzlich grundlos die Steuern erhöht.

Perspektivisch muss, das wissen auch die Politiker, die sich gestern bei der Pressekonferenz präsentiert haben, die Senkung der Belastungen das Ziel sein. Dafür müssten die anderen Parteien aber auch mal den Mut haben, eigene Wege zu gehen. Die SPD - oft in Person von Fraktionschef Ludger Hovest - ist in Wesel die dominierende Kraft. Alle anderen wirken oft zu brav.

Wenn Hovest im Interview mit unserer Redaktion in dieser Woche betonte, dass sein Ziel immer sei, eine möglichst breite Allianz im Weseler Rat zu schmieden, alle in der "Fraktion Wesel" mit ins Boot zu holen, dann verkauft er dies als Bekenntnis zur Einigkeit, weiß aber, dass davon immer die dominierende Partei profitiert. Im Bund erlebt man das in der Großen Koalition, wo Merkel und die CDU die Ernte einfahren. In Wesel wiederum profitiert die SPD. Der Sozialdemokrat Hovest ist ein politischer Fuchs, ein Rotfuchs sozusagen. Füchse sind aber bekanntlich keine Rudeltiere - und ein Ludger Hovest macht keine Politik zum Wohle anderer Parteien.

Hovests Rede von der großen "Fraktion Wesel" - wir taufen sie für heute "Fraktion WHUAFLUÄUN" (Wir haben uns alle furchtbar lieb und ärgern uns nicht) - wirkt wie ein leichtes Betäubungsmittel. Es bleibt immer nur bei kleinen Vorschlägen. Im Kern ziehen die Fraktionen mit, wenn Hovest die Richtung vorgibt. Mehr Mut!

Mehr Bissfreude würde man sich also von den anderen Parteien schon wünschen. Beim Parteitag der CDU in dieser Woche war davon wenig zu spüren. Man sonnte sich noch im Erfolg, predigte Bescheidenheit. Warum nicht mal weitergehen mit einer politischen Forderung als der, der das politische Heft des Handels in der Stadt seit Jahren in der Hand hält? Niemand hat der bisweilen doch arg braven CDU in Wesel beispielsweise verboten, offensiv mit dem Vorschlag von Steuersenkungen aufzuwarten. Oder eine mutigere Stadtentwicklung hin zum Rhein einzufordern. Die SPD-Bürgermeisterin nämlich sieht da keine Chance. Oder, oder, oder...

Der langjährige SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat den Satz "Opposition ist Mist" geprägt. Bezogen auf die Weseler Politik muss man in der Langzeitperspektive aber sagen: Große Koalitionen sind auf Dauer auch immer Mist, weil die Kontroverse ausbleibt, weil der Bürger keine Unterscheidung mehr treffen kann. Große Koalitionen machen auf Dauer apathisch - irgendwann schlägt das um in Frust.

(RP)
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