Wesel i-Dötzchen stürmen Großschulen

Wesel · Wenn aus Kindergarten-Knirpsen ABC-Schützen werden, herrscht Aufregung in den Familien. Gestern war es ein besonderer erster Schultag, denn die Fusionen in der Innenstadt und der Feldmark starten mit offenen Fragen.

 Mit Kind und Kegel: Viele Verwandte und Freunde begleiteten am Holzweg die Schulanfänger auf dem Weg in den neuen Lebensabschnitt.

Mit Kind und Kegel: Viele Verwandte und Freunde begleiteten am Holzweg die Schulanfänger auf dem Weg in den neuen Lebensabschnitt.

Foto: Bosmann, Jürgen

Die Kameradichte am Holzweg steht der am roten Teppich bei der Oscar-Verleihung ins nichts nach. Die der Stylisten auch nicht: Hier muss noch etwas Gel ins Haar, da der Schlips nachgezogen und dort das Kleid glatt gestrichen werden. Die Aufregung ist groß. Ganze Clans umringen ihre Schützlinge, begleiten sie auf dem Weg in einen neuen Lebensabschnitt. Der Holzweg ist keine Ausnahme. Überall ist aus dem ersten Schultag ein kleiner Feiertag geworden.

 Einschulung an der Böhlstraße: Die 92 Erstklässler werden von den älteren Schülern beim Betreten der Schule "eingeklatscht".

Einschulung an der Böhlstraße: Die 92 Erstklässler werden von den älteren Schülern beim Betreten der Schule "eingeklatscht".

Foto: jürgen bosmann

Für zwei Weseler Schulen steht er unter einem besonderen Stern. Holzweg und Böhlstraße sind die Standorte der neuen Großschulen, um die es viele Diskussionen gab. Beide haben "nur" kommissarische Leiterinnen, stehen also vor ungewissen personellen Änderungen. Die 55 i-Dötzchen, die nach einem Gottesdienst am Holzweg starten, wissen nichts von den offenen Fragen. Sie freuen sich auf ihre Schultüten und sind gespannt, wie es weitergeht.

Zunächst einmal in drangvolle Enge. Das Foyer, wo die älteren Schüler Willkommenslieder singen, platzt aus allen Nähten. Astrid Wahl-Weber, kommissarische Schulleiterin der neuen Grundschule Feldmark (Holzweg und Mühlenweg) deutet an, dass sich was ändern wird. Bekanntlich wird für 1,2 Millionen Euro ausgebaut.

Die Lieder der Zweit- bis Viertklässler kreisen um das Anderssein und darum, dass die Unterschiede der Menschen völlig normal sind. Und Wahl-Weber berichtet den Neulingen vom "guten Geist" in der Schule, den man nicht sehen, sondern nur spüren kann.

Walter Hüser (60), der für Tim, den Sohn seines Patenkindes eine Tüte mitgebracht hat, findet es gut, dass es eine Betreuung im offenen Ganztag gibt.

Susanne und Klemens Simon begleiten Johannes, dessen Schwester Antonia noch die nahe Mühlenwegschule durchlaufen konnte. "Ein Neuanfang ist auch ein Anfang", sagt die Mutter zum Thema Zusammenlegung. Der Ruf der Holzwegschule war nicht der beste. Vater Klemens Simon meint, dass man zum Neuanfang doch wenigstens das Schild am Gebäude hätte austauschen sollen. "Ein Zeichen dafür, dass alles mit heißer Nadel gestrickt worden ist", sagt er.

Der Anteil von Kinder mit Migrationshintergrund ist hoch. Das wissen die Simons, die ihr Kind eigentlich in Blumenkamp einschulen wollten. Nun habe man es mit vielen Unbekannten zu tun. Und diesen unbekannten Kindern und Familien wollen sie vorurteilsfrei begegnen. Derweil erinnert sich Johannes' Großmutter Holdi Bischof an ihren ersten Schultag. Ostern 1946 hatten die Menschen andere Sorgen. Ob sie eine Tüte bekommen hat, weiß Bischof nicht mehr. In der ehemaligen Schule an der Bagelstraße wurden zwei Klassen in einem Raum unterrichtet. Im Henkelmann nahmen die Kinder "die Schulspeisung" mit. Für die Familie zu Hause.

In der neuen Schule wird sich viel ändern. Mit dem Abriss des Pavillons liegt das Baufeld für den Ausbau bereit. Die Mühlenwegschule läuft langsam aus.

(RP/rl)
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