Begas Haus – Museum für Kunst und Regionalgeschichte Heinsberg Menschen bei Borussia ins Gesicht schauen

Wegberg · Das Begas Haus Heinsberg zeigt zurzeit die Ausstellung „HEIMSPIEL. Menschen bei Borussia“ von Markus Bullik aus Moorshoven.

 Unter dem Titel „Heimspiel. Menschen bei Borussia“ ist das Projekt von Markus Bullik im Kettler Verlag als Bildband erschienen.

Unter dem Titel „Heimspiel. Menschen bei Borussia“ ist das Projekt von Markus Bullik im Kettler Verlag als Bildband erschienen.

Foto: Bullik/Verlag Kettler

Der international tätige Fotograf aus Wegberg-Moorshoven ist nach dem Studium der Ethnologie und Fotografie jahrelang auf Reisen gewesen und hat in seinen Bildern aus aller Welt Brauchtum und Stammeskulturen dokumentiert. Schließlich porträtierte er für sein Heimspielprojekt Menschen beim Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Der Fotograf hat die Fußballgemeinde von Borussia porträtiert und mit seiner Kamera heimatliches Revierverhalten und Vereinsnähe studiert. Das Heimspielprojekt ist Ausdruck großer Sympathie für die Welt des Fußballs, ein Bekenntnis für die Fohlen-Elf und eine Hommage an alle Menschen, die an den Heimspieltagen ins Stadion im Borussia-Park pilgern.

Herr Bullik, wie kommt man auf die Idee zu einem solch ungewöhnlichen Projekt?

Markus Bullik Ich bin in Rath-Anhoven aufgewachsen und wie viele andere meiner Generation auf dem Bolzplatz sozialisiert worden. Als Kind habe ich bei Victoria Rath-Anhoven in der E- und D-Jugend gespielt. Damals sind wir in den Fohlentrikots D-Jugendkreismeister geworden. Das allein ist schon Grund genug. In meinen Arbeiten beschäftige ich mich vor allem mit der Alltagskultur der Menschen. Fußball ist von großem kulturanthropologischen Interesse. „Heimspiel – Menschen bei Borussia“ wurde für den Deutschen Fußballkulturpreis 2017 nominiert. Der Preis wird von der Akademie für Fußballkultur jährlich für besondere Initiativen rund um das Kulturphänomen Fußball verliehen. Der Borussenpark liegt quasi in Sichtweite. Die Idee für eine fotografischen Heimatkunde in Porträts zum Thema Borussia lag für mich auf der Hand.

Von 1000 Aufnahmen sind 51 in der Ausstellung zu sehen. Wie schwer fiel die Auswahl?

Bullik Das Gesamtwerk bildet einen repräsentativen Querschnitt durch die Borussenfamilie ab. Vom jungen Stürmerstar zum Alterspräsidenten. Vom japanischen U14-Spieler über die Platzordner bis zum Bierträger. Quer durch die Hierarchie und Sozialstruktur eines Proficlubs. Die Auswahl der 51 Aufnahmen folgte dieser Konzeption. Der repräsentative Querschnitt wird für die Besucher der Ausstellung sichtbar.

Sind die Fans und Mitarbeiter der Borussia anders als die Fans anderer Clubs?

Bullik Das kommt auf die Sichtweise an. Ein klares Ja aus Fan-Sicht, wenn es um die Vereinsfarben, Gesänge, Helden und Legenden der Borussia geht. Ein klares Nein aus wissenschaftlich-anthropologischer Sicht, betrachtet man die Rituale, Rollen und Phänomene, die vereinsübergreifend sind.

Zu den abgebildeten Menschen zählen Obdachlose, Funktionäre und Fans. Wie war die Begegnung mit diesen Menschen?

Bullik Das fotografische Porträt ist ein ritualisierender Vorgang. Vorab steht die gewinnende Ansprache. Die Empathie. Die Beziehung zwischen Mensch und Fotografen. Das Porträt ist ein Geschenk an den Fotografen. Darum gibt es auch den Aspekt der Demut: Ob Präsident Rolf Königs oder Flaschensammler Gerd Siebel – beiden gebührt gleichermaßen mein Respekt. Ob König oder Bettler – es geht um Menschen. Mir geht es darum, das Gemeinsame im Menschen zu zeigen, nicht das Trennende. Die gewählte Bildsprache, also wie sind die Bilder gestaltet, wie wird mit der Blende verfahren und mit dem Licht umgegangen, und meine persönliche Haltung lassen Porträts ohne Wertung erleben. Die Bilder sollen nicht die Unterschiede, den jeweiligen Rang und die Hierarchie, nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame der Menschen untereinander visualisieren. Ganz nach dem Motto: Wir sind Borussia.

Birgit Schönau schreibt in ihrer Rezension: Bullik bringt Stille in den Fußball - und das ist ebenso exotisch wie genial. Wie ist diese Aussage zu verstehen?

Bullik Fotografie hält die Zeit an, entreißt der Zeit ihre Spuren. Im Englischen heißt es „To take a photography“, einen Lichtabdruck des Moments nehmen. In der trubeligen Heimspielatmosphäre scheint in den Porträts die Zeit für einen Moment still zu stehen. Ruhe umgibt die Porträts. Der Betrachter kann die Porträts in Ruhe genießen. Der alleinige Fokus liegt auf dem Porträtierten. Die aufgeheizte Heimspielatmosphäre tritt in den Hintergrund. Wir sind mit dem Porträtierten – so scheint es – für einen Augenblick allein. Und genau das erscheint genial.

In welcher fotografischen Tradition steht dieses Projekt?

Bullik Die Gattung des fotografischen Porträts ist seit Beginn der Fotografie relevant. August Sander als der vielleicht größte deutsche Porträtist und Dokumentarist schuf in den 1920er Jahren das „Antlitz der Zeit – Menschen im 20. Jahrhundert“. Mein Projekt sieht sich in der Tradition Sanders.

Ist es eine Ausstellung ausschließlich für Fußballinteressierte?

Bullik Nicht nur, sondern auch. Auch eine Ausstellung für die Freunde der Fotografie und des Porträts als eine der wichtigsten Gattungen der Fotografie. Wo sonst kann man sich direkt vor jemanden stellen und ihm unverblümt ins Gesicht schauen und ihn studieren? Hier ist es erwünscht. Betrachter können sich die Menschen ganz in Ruhe anschauen und die Bildwirkung erleben. Viele kennen nur das Passbild, das Bewerbungsfoto oder Businessporträt, das Bild vom Hochzeitspaar – wenn sich der Mensch nur von seiner besten Seite zeigt. Eine optimale Darstellung, die mit Porträt allerdings wenig zu tun hat. Porträt geht weit darüber hinaus. Porträts zeigen das ganze Spektrum menschlicher Gefühle. Froh und traurig, hoffnungsfroh und entrückt. So wie die Menschen eben sind. Bei Borussia. Und anderswo.

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