Brauchtum im Rhein-Kreis "Jugend gezielt gefördert"

Kaarst · Tradition und Moderne sollten im Heimatbrauchtum keine Gegensätze sein. Diese Meinung vertritt der Versicherungsexperte Claus Schiffer. Er ist Präsident und Erster Brudermeister der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft in Kaarst, der größten Einheit im Bezirksverband Neuss.

 Claus Schiffer, Präsident und Erster Brudermeister der Kaarster Sebastianer.

Claus Schiffer, Präsident und Erster Brudermeister der Kaarster Sebastianer.

Foto: Andreas Baum

Herr Schiffer, das große Kaarster Schützen- und Heimatfest steht unmittelbar bevor. Wie sehen Sie sich gerüstet für das gesellschaftliche Großereignis?

Claus Schiffer Für das bevorstehende Schützenfest sehe ich uns bestens gerüstet. Dank der Erfahrung eines guten Vorstandsteams ist die Organisation sehr gut strukturiert, jedes Vorstandsmitglied hat seinen festen Aufgabenbereich, was die Planungen erleichtert. Alle Genehmigungen liegen vor, alle Musikverträge sind abgeschlossen. Kurz und knapp, das Fest kann kommen.

Und was sind die "Highlights" auf dem Festprogramm 2011?

Schiffer Die Highlights sind sicherlich unsere "Große Königsparade" am Schützenfestsonntag mit mehr als 1511 Schützen und Musikern. Auch in diesem Jahr haben wir wieder eine Mitgliedersteigerung verbuchen können. Darüber hinaus gibt es noch viele Highlights, die ich nur kurz erwähnen möchte: Das Maiensetzen beim Schützenkönig am Samstagnachmittag, die musikalische Eröffnung durch alle Tambourcorps am Samstagabend vor dem Rathaus und natürlich das Festhochamt am Schützenfestsonntag in unserer Pfarrkirche St. Martinus. Auf dem Festplatz haben wir "Crazy Coaster" und "Octupussy" als besondere Attraktion. Das Feuerwerk am Freitagabend in der Stadtmitte und im Festzelt zum krönenden Abschluss den Auftritt von Peter Wackel. Und natürlich ein strahlendes Königspaar.

Auch dieses Jahr verzichtet das Kaarster Königshaus auf Geschenke und Blumen und unterstützt zwei Einrichtungen, die auf Hilfe angewiesen sind. zum einen das "Café Einblick" am Rathaus, zum anderen das Wohnheim der Lebenshilfe in Vorst. Wie fällt die Resonanz darauf aus?

Schiffer Die Aktion hat sich seit vielen Jahren in Kaarst etabliert. Mehr als 90000 Euro sind in den vergangenen 15 Jahren für den guten Zweck gesammelt worden. Die Schützen unterstützen in besonderer Weise die Aktion des jeweiligen Königshauses, und dies ist auch in diesem Jahr so. Bereits jetzt sind viele Zuwendungen auf dem Spendenkonto eingegangen, Spenden die Kaarster Einrichtungen zugute kommen.

Ihr Regiment besteht zurzeit aus stattlichen 75 Zügen mit insgesamt 1158 Aktiven und 77 Passiven. Wie hat sich die personelle Stärke in den vergangenen Jahren entwickelt?

Schiffer Unser Regiment hat sich in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt. Wir sind mit unseren rund 1190 Mitgliedern zwischenzeitlich die größte Schützenbruderschaft im Bezirksverband Neuss. Ein wichtiger Aspekt kommt noch hinzu: Wir sind im Altersdurchschnitt der Mitglieder eine recht junge Bruderschaft. Jedes Jahr finden ein bis zwei Jungschützenzüge den Weg zu unserer Bruderschaft, die für diesen positiven Trend mitverantwortlich sind. Rund 25 Prozent aller Mitglieder sind Jungschützen, das heißt sie sind jünger als 25 Jahre.

Die Kaarster St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft trägt das Gründungsjahr 1450 in ihrem Namen. Wie können und wollen sie eine solch lange Tradition erfolgreich in die Zukunft tragen?

Schiffer Der Spruch "Tradition verbindet und verpflichtet" ist sicherlich wichtig. Das bedeutet aber nicht, dass man keine Veränderungen zulassen darf. Wichtig für unser Brauchtum ist, dass wir unsere Tradition mit der Moderne verbinden. Und diese Umstellung hat nichts mit Revolution zur Tradition zu tun, sondern wir haben unser Handeln der heutigen Zeit angepasst, und wir haben die Jugend in unserer Bruderschaft nicht nur gewollt, sondern auch gezielt das Jungschützendasein gefördert. Die Tradition wird in vielen Familien gelebt und führt dadurch auch dazu, dass die Kinder unserer Schützen mit dem Schützenwesen aufwachsen und so auch den Weg zur Bruderschaft finden. Einen wichtigen Punkt sollte man nicht vergessen: In kaum einem anderen Verein ist es möglich, das Jung und Alt gemeinsam als eine große Gemeinschaft auftreten.

Wodurch wollen Sie das niederrheinische Heimatbrauchtum in Zeiten der Globalisierung für jugendliche Nachwuchskräfte interessant machen?

Schiffer Wir können immer wieder feststellen, dass die Jugend mit der Sinngebung unserer Bruderschaft etwas anfangen kann und dies nicht nur an vier Tagen Schützenfest im Jahr, sondern auch bei dem umfangreichen Engagement im gesamten Jahr. Man fühlt sich einfach in der Gemeinschaft wohl und ist Gleichberechtigter, unabhängig von Alter oder gesellschaftlicher Stellung. Wichtig ist aber, dass sich die Jugend einge-bunden fühlt und dass man für die Interessen der Jungschützen ein offenes Ohr hat. Und dies ist aus meiner Sicht auch einer der wichtigsten Punkte. Es ist wichtig, dass die Jugend in die Entscheidungen für die Zukunft mit eingebunden wird, und dies ist in Kaarst in sehr ausgeprägter Form der Fall. So ist zum Beispiel der Jungschützenmeister festes Mitglied im geschäftsführenden Vorstand, um so die Interessen der Jungschützen ungefiltert zu vertreten.

Welche Wege gehen Sie, um die Neubürger oder Menschen, die in Kaarst wohnen, sich aber nicht so sehr mit der Stadt verbunden fühlen, mit einzubinden?

Schiffer Das Schützen- Volks- und Heimatfest ist sicherlich die beste Plattform, um die Bürger mit einzubinden, und deshalb bieten wir auch diverse Veranstaltungen — neben den Umzügen an —, zu denen die Bürger herzlich eingeladen sind. Allein hierdurch finden viele Bürger den Weg zu den Schützen. Aber auch bei vielen anderen Veranstaltungen (etwa beim Platzkonzert "Kaarst Total" oder beim Weihnachtsmarkt im Alten Dorf) werden Kontakte geknüpft, die oft zu einer aktiven Mitgliedschaft bei den Schützen führt.

Thilo Zimmermann führte das Gespräch.

(NGZ)
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