Medizin von nebenan Ärztemangel besteht nur gefühlt

Ratingen/Heiligenhaus · Tiefenbroich vermisst seit Jahren einen weiteren Allgemeinmediziner. Doch Hausarztpraxen in Vororten sind beim medizinischen Nachwuchs nicht sehr beliebt. Die Politik steuert nach.

 „Landarzt“ ist für den medizinischen Nachwuchs kein Traumberuf mehr. Die Politik will mit verschiedenen Instrumenten nachhelfen.

„Landarzt“ ist für den medizinischen Nachwuchs kein Traumberuf mehr. Die Politik will mit verschiedenen Instrumenten nachhelfen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Wer ärztlich behandelt werden muss, sucht einen Mann oder eine Frau seines Vertrauens. Nicht jedem will man schließlich auftischen, wo Behandlungsbedarf besteht. Ist Nordrhein-Westfalen durchschnittlich mit Hausärzten gut versorgt, da hapert es auf dem Land. Für viele Arztpraxen fand sich kein Nachfolger. Patienten müssen für einen Arztbesuch lange Wege in Kauf nehmen.

Seit vielen Jahren beklagen zum Beispiel die Tiefenbroicher, dass es nur noch einen Allgemeinmediziner vor Ort gibt, der rein rechnerisch für rund 6500 Bürger zuständig ist, obwohl der Richtwert bei 1671 Patienten pro Allgemeinmediziner liegt. Doch ganz so einfach ist es nicht.

„Nach den Vorgaben des Gesetzgebers bildet die Stadt Ratingen einen kompletten hausärztlichen Versorgungsbezirk, den sogenannten Mittelbereich Ratingen“, erklärt Christoph Schneider, Sprecher der KV Nordrhein. Hausärzte/ Allgemeinmediziner werden also nicht stadtteilbezogen zugelassen, sondern auf die gesamte Stadt hochgerechnet. Derzeit sind in Ratingen insgesamt etwa 60 Allgemeinmediziner niedergelassen, der Versorgungsgrad der hausärztlichen Versorgung Ratingens liegt bei rund 108 Prozent. „Damit ist die Versorgungssituation – gemäß der gesetzlichen Vorgaben – rein formal als gut zu bezeichnen“, so Schneider. „Ratingen steht damit im bundesweiten Vergleich gut da.“

Dennoch könne es durchaus sein, dass in Stadtteilen ein „gefühlter“ Mangel besteht, so Schneider. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein verzeichnet in den vergangenen Jahren einen Trend. „Facharztpraxen siedeln sich häufiger im Stadtzentrum an“, so Schneider. „Dort entstehen dann Ärztehäuser, die gemeinsam Synergieeffekte nutzen.“ Nicht selten seien wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend. Aber auch vorhandene Parkplätze oder eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel spielten für die Ärzte eine entscheidende Rolle. „Hausärzte sind finanziell grundsätzlich nicht schlechter gestellt als Praxisgemeinschaften“, so Schneider. Hier spielen andere Aspekte eine Rolle. „Bei vielen jungen Ärzten steht die sogenannte Work-Life-Balance im Vordergrund. Sie wollen nicht mehr Einzelkämpfer sein und die Verantwortung für Praxis und Mitarbeiter alleine tragen. Deshalb suchen Nachwuchsärzte eher nach einem Angestelltenverhältnis.“ Das sei besonders bei Ärztinnen zu beobachten, die sich bemühten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Dennoch stellt die Kassenärztliche Vereinigung fest: „Im Rheinland ist jeder dritte Inhaber einer Arztpraxis um die 60 Jahre alt und beschäftigt sich mit der Suche nach einem Nachfolger“, so Schneider. Diese sei häufig langwieriger und aufwendiger als noch vor einigen Jahren. Damit auch langfristig kein Engpass in der Versorgung entsteht, fördert die Politik mit einer Landarztquote und auch der Numerus Clausus ist bei der Aufnahme des Studiums nicht mehr das Maß aller Dinge.

Tiefenbroich wird indes noch etwas auf einen weiteren Allgemeinmediziner warten müssen. Laut Gesetzgeber darf in Ratingen keine neue Hausarztpraxis mehr eröffnet werden. „Es kann also nur eine bestehende übernommen werden“, so Schneider. Sollte der neue Inhaber dann aber den Standort wechseln, steht möglicherweise ein Stadtteil wieder ohne Versorgung da.

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