Ratingen Noch einmal mit Gefühl

Düsseldorf · In lockerer Folge stellen wir Ensembles der städtischen Musikschule vor. Heute blicken wir hinter die Kulissen des von Werner und Brigitte Schürmann gegründeten Kinder- und Jugendchors, der seit Jahresbeginn von Edwin Pröm geleitet wird.

Es ist Sommer, es ist früher Abend, man könnte jetzt eine Menge unternehmen. Die elf jungen Frauen, die sich nach und nach zur Chorprobe im alten Lintorfer Rathaus einfinden, sehen auch allesamt recht unternehmungslustig aus – aber wer sagt eigentlich, dass "Chorprobe" und "Unternehmungslust" einander ausschließende Dinge sind?

Edwin Pröm, der neue Chorleiter, geht die Sache jedenfalls recht dynamisch an, greift mit Verve in die Klaviertasten und lässt seine Schülerinnen erst einmal mit diversen Lautmalereien die Gesichtsmuskeln massieren. Dies wirkt bloß für Außenstehende komisch, doch müssen selbst gestandene Sängerinnen manchmal lachen, wenn sie – Stufe 2 der Aufwärmphase – Wörter wie Grünspecht, Zeisig, Tomatensalat, Popcorn und Knutschfleck hurtig, dabei schön akzentuiert perlen lassen müssen, als wären es die erlesensten Vokabeln unseres Wortschatzes. Der Mann am Piano, Anfang 40, studierter Kirchenmusiker, Kapellmeister auch, erfahren zudem als Dirigent am Stadttheater Bremen sowie an den Musical-Theatern in Bremen und Essen, Chorleiter und Gesangspädagoge, lacht mit. Man kann sagen: Die Stimmung ist heiter.

Heiter und gelöst, wozu auch der in Stufe 3 geforderte gesteigerte Körpereinsatz beiträgt: Arm nach vorn strecken, Bein nach hinten recken, und bitteschön weitersingen. Diese kleine Gymnastik macht aber nicht müde, sondern wach, und wach muss man sein, wenn man ein Lied nicht bloß flott runtersingen, sondern seine Geschichte erzählen will, mit all ihren unterschiedlichen Tempi und Temperaturen. Dies auszubilden, hat der Chorleiter ein Stück aus dem Musical "Wicked" gewählt, das gerade in Oberhausen läuft. Ob die Damen das denn auch singen wollen, fragt er schlitzohrig. "Oh jaaa!", tönt es unisono aus elf jetzt gut geölten Kehlen.

Na dann – einmal komplett singen, dann wird die Darbietung unter Chorleiters strenge Lupe genommen. Hier bitte zwecks Akzentsetzung einen Glottisschlag mehr investieren, dort etwas weiter und kräftiger intonieren, aber ohne Druck aufzubauen, und wenn von zarten zwischenmenschlichen Gespinsten die Rede ist, dann einmal "total ins Herz singen, als ob zwei Leute sich gegenüberstehen und direkt in die Augen sehen". Es sind solche feinsinnigen Regieanweisungen, die man nicht nur für die Chorprobe, sondern zweifelsohne fürs ganze Leben gebrauchen kann.

Und wie gefällt den jungen Frauen nun die Arbeit mit dem neuen Chorleiter, den sie selbst mit aussuchen durften? "Anfangs war es eine große Umstellung. Es ist jetzt eben etwas ganz anderes, aber es macht viel Spaß", fasste eine Sängerin zusammen, was man beim Probenbesuch spüren kann.

Dabei war die Prognose erst einmal düster, als das Gründerpaar Werner und Brigitte Schürmann sich beim letzten Weihnachtskonzert nach 25 Jahren als Leiter des Kinder- und Jugendchores in den Ruhestand verabschiedete. Wird das perfekt aufeinander eingespielte, von den Schürmanns mit großem Engagement im Stil einer Großfamilie geführte Ensemble, das gerade erst wieder den Meisterchortitel beim Meisterchorsingen in Siegen errungen hatte, den Wechsel unbeschadet überstehen? Erst einmal geht es weiter. Nur eben anders.

(RP)
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