Über „Luthers Deutsch, bergisches Deutsch und bergisches Platt“ in Radevormwald Humorvoller Vortrag über das Rader Platt

Radevormwald · Der Sprachwissenschaftler Georg Cornelissen aus Bonn referierte im Bürgerhaus auf unterhaltsame Weise über die Sprachentwicklungen der vergangenen 500 Jahre.

 Dr. Georg Cornelissen vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn referierte in Radevormwald.

Dr. Georg Cornelissen vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn referierte in Radevormwald.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Rund 50 Besucher wollten sich von Georg Cornelissen, stellvertretender Leiter des Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte im Landschaftsverband Rheinland in Bonn, am Dienstagabend auf eine Reise in die vergangenen 500 Jahre des bergischen Dialekts im Allgemeinen und des Radevormwalder Platts im Besonderen mitnehmen lassen. Und diese Reise war fraglos unterhaltsam, was nicht nur am sympathischen und bisweilen leicht zerstreut wirkenden Auftreten des Bonner Sprachexperten lag. Sondern auch daran, dass das Publikum genau im Thema war, gerne Fragen stellte und durchaus auch selbst Bescheid wusste. „Luthers Deutsch, bergisches Deutsch und bergisches Platt“, so hieß der Vortrag, zu dem der Bergische Geschichtsverein, Abteilung Radevormwald, in den Mehrzweckraum im Bürgerhaus eingeladen hatte.

Seinen Vortrag startete Cornelissen direkt mit einem praktischen Hörbeispiel, das er von einer wohl einzigartigen CD abspielte, die er mit seinem Münsteraner Kollegen Markus Denkler in diesem Jahr veröffentlicht hatte: Darauf hatten sie 44 Sprachaufnahmen der Dialekte aus Nordrhein-Westfalen aus dem 20. und 21. Jahrhundert gesammelt. Vorgespielt wurde eine Aufnahme von Karl Höltken, der eine Rader Weihnachtserinnerung eingesprochen hatte. Für manchen dialektfernen Besucher war da wohl die hochdeutsche Zusammenfassung vor der Aufnahme ganz hilfreich – bei den meisten im Publikum hatte man jedoch den Eindruck, dass sie das Gesprochene sehr gut verstanden.

Im Vortrag ging es dann um das Verhältnis der lokalen und überregionalen sowie der gesprochenen und geschriebenen Sprache in den vergangenen 500 Jahren. „Diese Differenzierung ist wichtig, weil sonst kommt man nicht zu einem vernünftigen Ziel“, sagte Cornelissen. Dabei sei der Klang des frühen Rader Platts gar nicht verifizierbar, ergänzte er. „Keiner kann heute mehr wissen, wie das vor 500 Jahren geklungen haben mag – Karl Höltken mögen die meisten hier einigermaßen verstanden haben, den Rader vor 500 Jahren mit Sicherheit jedoch nicht.“ Er verglich das auf seine humorvolle Art mit einem Norddeutschen, der erstmals in Bayern im Urlaub war und dort in einem Gasthaus den Einheimischen beim Gespräch lauschte. „So ähnlich muss das wohl damals gewesen sein“, sagte Cornelissen.

Zu einer ersten Vermischung sei es gekommen, als der Buchdruck die Verbreitung der hochdeutschen Sprache vorantrieb – etwa mit der Lutherbibel. „Da prallten Welten aufeinander – ein bisschen so, wie es wohl Chinesen beim Konzert einer kölschen Band gehen muss. Die singen auch mit, obwohl sie keine Ahnung haben, wie man kölsche Ausdrücke richtig ausspricht.“ Wenn nun damals ein Pastor aus der Lutherbibel vorlas, ohne über die Aussprache des Hochdeutschen Bescheid zu wissen, dürfte das ähnlich kurios geklungen haben, sagte Cornelissen schmunzelnd.

In einem weiteren Teil seines Vortrags ging Cornelissen dann darauf ein, warum der Rader Dialekt heute nicht mehr sehr weit verbreitet ist. Ein Schicksal, dass er natürlich mit vielen anderen Dialekten teile. „Warum hat das Dialektsprechen so stark abgenommen? Es liegt an der Verachtung des Dialekts und des Dialektsprechers“, betonte Cornelissen. Schließlich sei der Dialektsprecher als primitiv und weniger intelligent angesehen worden: „Vor allem von den Bessergebildeten, den Lehrern und allgemein den Akademikern. Und das fing schon in der Schule an“, sagte Cornelissen. Dialekt war an der Schule verpönt – das machte er an einem Beitrag aus einem Buch mit dem Titel „Bergische Sprachsünden“ aus dem Jahr 1935 deutlich. „Kinder, die nicht gut Hochdeutsch konnten, sagten lieber nichts – weil sie nicht negativ auffallen wollten. Und das wirkte sich natürlich auch auf die Noten aus.“ Cornelissens Reise in die Welt des Dialekts kam beim Publikum insgesamt sehr gut an, so dass die Zeit sehr schnell verging.

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