Cornel Hüsch "Wir müssen Flüchtlingen ein Zuhause geben"

Neuss · Der Vorsitzende des Kreiskatholikenrates über das Thema Flüchtlinge, Initiativen in der Kirche und die Erwartungen an den neuen Erzbischof

 Cornel Hüsch ist morgen Gastgeber beim Neujahrsempfang des Kreiskatholikenrates. Bei dem wird der Hermann-Straaten-Preis für ehrenamtliches Engagement in der Kirche vergeben.

Cornel Hüsch ist morgen Gastgeber beim Neujahrsempfang des Kreiskatholikenrates. Bei dem wird der Hermann-Straaten-Preis für ehrenamtliches Engagement in der Kirche vergeben.

Foto: A. Woitschützke

Herr Hüsch, der Kreiskatholikenrat hat zur Teilnahme an der gestrigen Demonstration gegen Pegida in Düsseldorf aufgerufen. Warum?

Cornel Hüsch Wer sich wie Pegida auf das christliche Abendland als Schutzziel beruft, muss sich auch an den christlichen Tugenden wie Barmherzigkeit, Solidarität und Toleranz messen lassen. Die finde ich bei diesen Demonstranten nicht.

Die Kirchengemeinden in Neuss-Mitte haben 250 Kubikmeter Sach- und Kleiderspenden für die Flüchtlinge im "Alex" gesammelt. Die Kirche an der Seite der Armen und Bedrängten - ist das ihre Aufgabe?

Hüsch Es war immer die Aufgabe der Kirche, heute aber wird sie besonders deutlich. Wir haben unsere Aufgabe vom Herrn quasi vor die Füße gelegt bekommen: Den Menschen, die nach Not und Verfolgung hier angekommen sind, nicht nur in die Arme zu nehmen, sondern ihnen auch ein Zuhause zu geben.

Oft gehen solche Initiativen von einigen wenigen aus - und selten muss sie der Herr Pastor anstoßen. Macht das nicht Mut für die Zukunft?

Hüsch Die Willkommenskultur ist etwas, was hier im Rheinland schon lange gepflegt wird. Es bestätigt mich und macht mir Mut für die Zukunft, dass sich viele Menschen anrühren lassen. Nicht nur zum Reden, sondern zum Handeln.

Dieses Engagement für die Flüchtlinge, deren Not ja kaum zu übersehen ist, ist die eine Initiative. Sind in der Kirche auch andere erkennbar?

Hüsch Man muss unterscheiden zwischen den Dingen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen und denen, die tagtäglich passieren. Wenn ich mir alleine vorstelle, wie viele Sternsinger in diesen Tagen unterwegs sind und für die Kinder in der Welt sammeln. Wenn ich mir vergegenwärtige, wie viele Initiativen in den Gemeinden laufen - für den Nächsten, nicht nur für Flüchtlinge, sondern für Arme, Alte, Kranke. Ich denke, dass man dann schon auf Tausende Menschen kommt, die sich rühren. Wichtig ist, dass man anfängt. Jeder Start beginnt mit zwei oder drei, die finden dann weitere. Wir haben sie, diese Initiativen, die sich aus ganz kleinen Anfängen entwickelt haben - auch in Neuss.

Solche Initiativen will der Hermann-Straaten-Preises stärken, der morgen beim Neujahrsempfang erneut vergeben wird. Was war bei den Bewerbungen für Sie die größte Überraschung?

Hüsch Die Vielfalt der Angebote, die an Menschen jeden Alters und in jeder Lebenssituation gehen, und die große Zahl an Bewerbungen. Wir haben 15 schriftliche Bewerbungen bekommen, aber die stehen stellvertretend für viel, viel mehr Initiativen im Kreisdekanat.

Der Kreiskatholikenrat ist Gastgeber dieses Empfanges, nicht der Kreisdechant. Macht das für Sie einen Unterschied?

Hüsch Das bedeutet keine Trennung. Es ist keine Frage von Amt und Bezeichnung wenn sich die Katholiken aus dem Rhein-Kreis treffen und austauschen, untereinander aber auch mit anderen. Der Katholikenrat ist nach Kirchenkonstitution die Organisation der Laien - und die sind das Volk Gottes. Die getauften und gefirmten Christen sind die Kirche.

In der Amtskirche, im Erzbistum gab es 2014 große Veränderungen. Dem neuen Papst folgt mir Kardinal Rainer Maria Woekli ein neuer Erzbischof. Er löst einen Kardinal ab, mit dem Sie ja auch gehadert haben wegen seines Verständnisses einer Laienpastoral. Wie ist Ihr Eindruck?

Hüsch Ich habe ihn inzwischen mehrfach getroffen und auch unter vier Augen sprechen können und bin sehr zuversichtlich, dass wir da eine Zeitenwende erleben werden. Kardinal Woelki hört gut zu, ist aufmerksam und entschieden für das, was er tun möchte. Und er hat eine Meinung, ohne die schon vor einer Diskussion kund zu tun, damit nicht schon das Ergebnis feststeht.

Stichwort Zeitenwende. Auch die Kirche ist multimedial und digital geworden. Kann ich von meinem Gemeindepfarrer als Dienstleister der Seele erwarten, dass er sich auch in sozialen Netzwerken tummelt ?

Hüsch Eins vorab: Es gibt auch vom Kreiskatholikenrat seit Jahren eine Internetseite und eine Facebook- und Twitteradresse. Wir halten das für einen Weg, nicht den Königsweg, um in Kontakt zu treten. Ich würde es für falsch halten, wenn man pastorale "Wirksamkeit" nach Internet-Klicks bewertet. Denn am Ende und am Anfang steht das Wort, zwischen Menschen gesprochen von Angesicht zu Angesicht. Das ist die seelsorgerische Leistung, die wir bieten. Die Erfahrung, die wir machen, ist auch, dass keiner ungehört bleibt, dass unsere Seelsorger erreichbar sind. Wer in seelischer Not ist, sucht keine Hilfe über Facebook, der greift zum Telefon.

CHRISTOPH KLEINAU FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(NGZ)
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