Neuss Schule und VHS gegen Analphabetismus

Neuss · Mit Abendkursen und gezielten Sprach-Unterricht kämpfen Schulen und VHS gegen die Lese- und Rechtschreibschwäche.

 Auch Erwachsene können noch Lesen und Schreiben lernen - etwa in speziellen VHS-Kursen für Analphabeten.

Auch Erwachsene können noch Lesen und Schreiben lernen - etwa in speziellen VHS-Kursen für Analphabeten.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Analphabetismus — allein das Wort stellt jeden Betroffenen vor eine schier unlösbare Aufgabe: Schon schwer auszusprechen, ist es für ihn auch nicht lesbar. Schätzungsweise neun Prozent der Neusser sind funktionale Analphabeten. Sie können nicht sinnzusammenhängend lesen und schreiben. Sie erkennen zwar die Buchstaben, können aber lediglich ihren Namen und ein paar Wörter schreiben. Sie befinden sich damit auf dem Stand eines Erstklässlers.

Laut einer 2011 veröffentlichten Studie der Universität Hamburg kann jeder siebte Deutsche zwischen 18 und 64 Jahren nicht richtig lesen und schreiben. Dabei sind in Deutschland lebende Migranten nicht mit eingerechnet. Dabei sind in Deutschland lebende Migranten nicht eingerechnet. Der Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung geht von 7,5 Millionen Deutschen im erwerbstätigen Alter mit Lese- und Rechtschreibschwäche aus. Die nicht offiziell erfasste Zahl von Kindern und Jugendlichen sowie Menschen über 64 Jahre erhöht die Quote.

"Ein Phänomen", sagt Margaret Egan vom Fachbereich Sprache der VHS Neuss. Eine wissenschaftliche Erklärung dafür könne sie nicht liefern, nur Mutmaßungen. Bei den älteren Menschen sei mangelnde Bildung dem Krieg und Folgejahren geschuldet. "Heute ist es aber eine Frage, die Schule und Eltern zu verantworten haben", sagt Egan.

Die VHS Neuss führt zurzeit einen Abendkurs zur Alphabetisierung mit knapp zehn Schülern durch. Geleitet wird er von einer Deutschlehrerin mit Zusatzqualifikation zur Alphabetisierung. "Es ist eine heterogene Gruppe, jeder hat seine besonderen Stärken und Schwächen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Dozentin individuell mit jedem Teilnehmer befassen kann", sagt sie. Viele Teilnehmer werden vom Jobcenter vermittelt. "Meistens sind es Personen, die lange Jahre einen stabilen Arbeitsplatz hatten und dann ihre Anstellung verloren", erklärt Margaret Egan. Zum Teil hätten die Arbeitgeber nicht von der Schwäche ihres Mitarbeiters gewusst.

Manche Analphabeten schafften es, irgendwie durch die Schulzeit zu kommen. Doch viele besitzen keinen Schulabschluss. Wenn die Lese- und Rechtschreibschwäche rechtzeitig erkannt wird, kann sie mit individueller Förderung behoben werden. Die Michael-Ende-Förderschule in Neuss hat sich auf den Schwerpunkt Sprache im Primarbereich festgelegt.

Durch sogenannte Lesestolpertests oder Schreibproben wird regelmäßig der Leistungsstand eines Kindes überprüft. "Wir fördern zunächst das phonologische Bewusstsein, sodass die Kinder als erstes die Silben erkennen. Dann üben wir mit lautgetreuen Worten, zum Beispiel Tafel, Lama oder Ampel", erklärt die stellvertretende Schulleiterin Hedwig Glöckner. Von Anfang an wird auch das Schreiben mit berücksichtigt.

(NGZ/url)
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