Neuss Rachefeldzug aus Hassliebe zu Mozart

Neuss · Regisseurin Antje Thoms bringt Peter Shaffers Stück "Amadeus" als kompaktes Paket auf die Bühne des Landestheaters.

 Antonio Salieri (Joachim Berger) sinniert darüber, wie er Wolfgang Amadeus Mozart am besten vernichten kann, um Gott eine Lektion zu erteilen.

Antonio Salieri (Joachim Berger) sinniert darüber, wie er Wolfgang Amadeus Mozart am besten vernichten kann, um Gott eine Lektion zu erteilen.

Foto: Anke Sundermeier

Als er Schwarz auf Weiß sieht, was dieser Komponist zu erschaffen weiß, kann er um die Erkenntnis nicht umhin: Er ist nichts gegen diesen Mann, der die Musik nur so aus seinem Kopf schüttelt. "Und so vollendet, wie Musik sonst selten vollendet ist." Bis dahin hatte Antonio Salieri noch geglaubt. An seine Fähigkeit als Komponist, an sich als einen Gottesgläubigen, der ihm mit seiner Musik dient. Und dann kommt da dieser "gehässige, kichernde, aufgeblasene, infantile Mozart" daher und macht alles zunichte. Mit der Ankunft des 25-jährigen Salzburger Komponisten am Kaiserhof in Wien bricht für den hochgeschätzten Kompositeur Salieri die Welt ein. Aber dafür macht er nicht Mozart, sondern Gott verantwortlich: "Du gabst mir das Verlangen, Dir zu dienen – das die meisten Menschen nicht haben –, und sorgtest dann dafür, dass diese Dienste in den Ohren Deines Dieners nichtig klingen." Und so schwört er: "Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug Deine Absichten auf Erden durchkreuzen, wo ich kann!"

Kaum ein Stoff könnte zum RLT-Spielzeit-Thema "glauben!" besser passen als "Amadeus" von Peter Shaffer. Ein Mensch verzweifelt schier an den Fügungen Gottes und wird einzig von dem Wunsch getrieben, ihm eine Lektion zu erteilen. Aber das Stück hat es in sich, funktioniert mit den Mitteln des Films – wie Milos Forman gezeigt hat – wunderbar, ist für die Bühne jedoch ein harter Brocken. Denn es ist vor allem erzähltes Theater.

Die Geschichte von Salieris perfidem Feldzug gegen Mozart (der im übrigen historisch so nicht verbrieft ist) wird von Salieri in der Rückschau einem fiktiven Publikum erzählt, das im Theater ein reales ist. Dazwischen gibt es das zu Erzählende als Spielszenen – ein ständiges Springen also zwischen den Zeiten (vor und nach 32 Jahren) und ein unterschiedliches Agieren vor allem des erzählenden Spielers: mal als Teil der Szene, mal als Beobachter.

Joachim Berger meistert in der Inszenierung von Antje Thoms diesen Spagat fast mühelos. Einzig die als Erzähler gern bedeutungsvoll aufgerissenen Augen möchte man ihm ausreden, aber er ist ein ungemein präsenter Salieri, arbeitet heraus, wie ein Mensch innerlich aufgezehrt wird – von hassliebender Bewunderung, von der damit verbundenen Erkenntnis der eigenen Mittelmäßigkeit. Wut, Verzweiflung, Gier, Liebe, Resignation – alle Gefühle, zu denen der Mensch fähig ist, spiegeln sich in ihm. Und wie bitter ist das Ende: Mozart hat er vernichtet, aber dessen Musik wird im Gegensatz zu seiner eigenen weiterleben. Und so greift er zum letzten Mittel, bezichtigt sich das Giftmordes an Mozart und weiß: "Wie sich sein Name über die Welt verbreitet, verbreitet sich meiner auch – wenn schon nicht rühmlich, dann eben unrühmlich."

Jonathan Schimmers Rolle als Mozart wird in Thoms' Inszenierung auf die Rolle des Auslösers reduziert. Er ist kein Gegenspieler, kein Sympathieträger. Seine Besessenheit von der Musik, seine Gier nach Anerkennung, seine Unfähigkeit, auf Menschen zuzugehen, wirken mehr wie Attitüden denn Charaktereigenschaften. Was Schimmer hingegen mit körperlichen Spiel ausdrucksvoll und ungehindert ausleben kann: die Unruhe, dieses Irrwischige des Musikers.

Bei Antje Thomas wird das im zeitlichen und räumlichen Irgendwo verortete Stück zu einem gut geschnürten, kompakten Paket. Dazu tragen auch sinnvolle Striche am Text, die gut gespielten Nebenrollen (Ulrike Knobloch, Hennig Strübbe, Georg Strohbach) und die Ausstattung von Ivonne Theodora Storm bei.

Die Kostüme zitieren die Zeit um 1870, die Bühne besteht aus einem Podest, um das ein Absperrband wie bei einem wertvollen Museumsstück läuft. Manches der auf dem Podest aus- oder besser: abgestellten Gegenstände wirkt allzu anspielungsreich: der Billardtisch etwa oder das Karussellchen mit einem Pferd (Mozart spielte gerne Billard und ritt gerne aus). Weniger sichtbar, aber ein unglaublich präsenter Mitspieler: das Klavier mit dem Pianisten Robin Jurman.

(NGZ)
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