Premiere im RLT Neuss Weltgeschichte im Schnelldurchgang

Neuss · Als Autor, Musiker und Regisseur hat Sebastian Zarzutzki am RLT „Die kurze Geschichte der Menschheit“ zu einem Theaterabend collagiert. Inspiriert hat ihn dazu ein Sachbuch.

 Die Schauspieler Rainer Scharenberg, Richard Lindscheidt, Freyja Iacono-Sembritzki und Kathrin Berg (v.l) sind zusammen mit den Musikern Jürgen Dahmen am Keyboard und Stefan Gesell am Schlagzeug die Protagonisten des Abends.

Die Schauspieler Rainer Scharenberg, Richard Lindscheidt, Freyja Iacono-Sembritzki und Kathrin Berg (v.l) sind zusammen mit den Musikern Jürgen Dahmen am Keyboard und Stefan Gesell am Schlagzeug die Protagonisten des Abends.

Foto: Björn Hickmann

Mit einfachen Organismen ohne Zellkern hat alles begonnen. So klingt es auch. In wenigen Sätzen skizziert der Schauspieler Rainer Scharenberg die Entstehung der Welt, während seine drei Mitspieler Richard Lingscheidt, Kathrin Berg und Freyja Iacono-Sembritzki melodische Laute ins Mikro zuzeln, summen oder brummen. Klingt wie ein Ur-Laut-Gesang oder so ähnlich, und ist mit Sicherheit auch so gedacht. Die „Weltuntergangsrevue“ im RLT beginnt mit dem Weltanfang. Im Schnelldurchgang, denn Millionen von Jahren lassen sich halt nur so in eine knapp 80-minütige Aufführung packen.

Dazu hat Sebastian Zarzutzki in Personalunion als Autor, Musiker und Regisseur eigene Bilder und Gedanken, fremde Zitate und Texte und neu arrangierte Songs zu einer Collage zusammengestellt, die von der Lektüre des (Sach-)Buches „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Noah Harari inspiriert ist. Und Zarzutzki legt Wert darauf, „die“ (nicht nur „eine“) kurze Geschichte der Menschheit zu erzählen. Kurz ist sie wirklich. Denn wie wird doch immer wieder betont: Wenn die Geschichte der Welt einen Tag dauert, macht die der Menschheit genau drei Sekunden aus. Diese drei Sekunden werden runtergezählt, bis Mitternacht da ist, die Stunde Null und damit der Weltuntergang, der nur durch eines verhindert werden könnte: durch die Schaffung eines neuen Menschen und seine Verfrachtung auf einen neuen Planeten. Wirklich? Nein, die Antwort muss der Zuschauer sich schon selbst suchen.

Der zweifellos überzeugende Auftritt der Schauspieler (in Kostümen von Jule Dohrn-van Rossum, die ihnen einen Look „Mad Max“ in edel verpasst hat), die wunderbar auf ihre Stimmen arrangierten Songs von „Final Countdown“ über „Space Oddity“ und „Die Länder unserer  Erde“ bis zu „My Way“, die kongeniale musikalische Live-Begleitung von Jürgen Dahmen (key) und Stefan Gesell (percussion) können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Zarzutzki ein Stück collagiert hat, das textlich mindestens sehr ambitioniert ist. Wenn nicht sogar überfordernd. Denn unzählige Dinge prasseln auf die Zuschauer ein: historische Fakten, jede Menge Zahlen, Legenden, Bibelgeschichten, Begriffe. Darunter sind ebenso viele schlaue Sätze („die Biologie kennt kein Recht“ oder „die Welt, die wir geschaffen haben, überfordert uns“) wie auch Plattitüden („was ist ein Banküberfall gegen den Besitz einer Bank“ oder „meine Damen und Herren und diejenigen, die sich nicht entscheiden können“). Mal augenzwinkernd, mal hämisch, mal süffisant, mal aggressiv präsentiert – wobei die vier Schauspieler immer den richtigen Ton treffen. Aber was bleibt wirklich haften?

Begeisterter Beifall für dieses „musikalische Ausstattungsstück mit einer Folge von sängerischen, tänzerischen und artistischen Darbietungen, die häufig durch eine lose Rahmenhandlung zusammengehalten werden“ (Definition der Revue). 

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