Neuss Jazzmusik im perfekten Spielfluss

Neuss · Die deutsch-afghanische Sängerin Simin Tander und ihr Trio beendeten ihre Frühjahrstournee mit einem Gastspiel in der Alten Post. Das Konzert innerhalb der von Philipp van Endert geleiteten Reihe "Blue in Green" begeisterte das Neusser Jazzpublikum.

 Sie ist Singer-Songwriter; ihre Musik eine gelungene Mischung aus Jazz und Weltmusik: Simin Tander in der Alten Post.

Sie ist Singer-Songwriter; ihre Musik eine gelungene Mischung aus Jazz und Weltmusik: Simin Tander in der Alten Post.

Foto: Barbara Steingiesser

Gibt es ein untrügliches Kriterium für die Qualität von etwas, das so subjektiv wirkt wie Musik? Ja, tatsächlich. Wenn eine junge Band es wagt, einen perfekten Popsong zu covern und man sich davor nicht verschließt, sondern gebannt an den Lippen des Sängers oder der Sängerin hängt. Wenn man mit Spannung darauf wartet, wie er oder sie das nächste Wort formt, um es mit neuen Stimmungsnuancen aufzuladen, dann kann man sicher sein, dass die junge Band alles richtig macht.

Die deutsch-afghanische Simin Tander, die im niederländischen Arnheim Jazzgesang studierte, sowie Jeroen van Vliet (Piano und Electronics), Cord Heineking (Kontrabass) und Etienne Nillesen (Schlagzeug) gehen dieses Wagnis bei ihrem Konzert in Philipp van Enderts Reihe "Blue in Green" in der Alten Post gleich mehrmals ein, und das – wie die Reaktionen des Publikums zeigen – mit großem Erfolg.

In Nick Drakes "River Man" wird Simin Tanders samtig-weiche und intonationssichere Stimme zunächst nur von Jeroen van Vliet begleitet, der dem Flügel durch Zupfen der Saiten gitarrenähnliche Klänge entlockt. Durch verlangsamtes Tempo wird der Song zu einem geheimnisvollen, ruhigen Fluss voller Melancholie. Auch in "Between The Bars" von Elliott Smith, das mancher der Zuhörer außer in der Originalversion vielleicht auch in der Interpretation der Jazzsängerin Madeleine Peyroux im Ohr hat, formt Tander jeden einzelnen Ton zu einer dunkel schimmernden Kostbarkeit, die bereits die Trauer um ihr Verklingen enthält.

Selbst "Windmills Of Your Mind" aus dem Film "The Thomas Crown Affair" mit Faye Dunaway und Steve McQueen von 1967, das – wie viele Kompositionen von Michel Legrand – als Jazz-Standard unzählige Male aufgenommen worden ist, klingt neu, wenn Tander es um mehrere Umdrehungen im Tempo zurückschraubt und in die Spiralstruktur der sich ineinander windenden Strophen einige orientalisch anmutende Schnörkel einbaut.

Doch umfasst das Spektrum von Simin Tanders Stimme noch viele weitere Facetten: etwa die feurige Intensität von Pedro Flores' Bolero "Obsesión", in dem sie die spanischen Lyrics durch leidenschaftliche Scat-Improvisationen weiterspinnt.

Ihre ganz eigene, spielerische Fantasiesprache entwickelt die Sängerin in "Wagma", dem Titelsong ihrer CD, immer wieder neu, während ihre Stimme in "Purity" in einem Unisono-Part mit dem Piano zunächst an ein Blasinstrument erinnert, bevor sie die Verse des Textes wie ein Gedicht rezitiert. Morgentau ist übrigens die Übersetzung für "Wagma". Das Wort kommt aus dem Paschtoe, der Vater-Sprache der Deutsch-Afghanischen Sängerin..

Beim Neusser Abschlusskonzert ihrer kleinen Frühjahrstournee sind Simin Tander und ihre Band im Spielfluss ganz bei sich selbst angekommen. Einfach schön.

Info Die CD gibt es ab 15,95 Euro im Handel ((Neuklang NCD4054).

(NGZ)
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