„Orgelsommer“ in Neuss Ein wahrer Virtuose an der Münsterorgel

Neuss · Daniel Beckmann aus Mainz war der dritte „Kathedral-Kollege“ beim „Orgelsommer“.

Der diesjährige Orgelsommer in der Quirinusbasilika lockt auch dank des glücklich gewählten Mottos „Kathedral-Kollegen“ hochkarätige Organisten nach Neuss. Erstmals war jetzt mit Daniel Beckmann (38) einer der großartigsten deutschen Kirchenmusiker an der Münsterorgel zu hören. Bereits im Alter von 29 Jahren wurde er von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Kardinal Lehmann zum Domorganisten an den Hohen Dom St. Martin in Mainz berufen.

Dort ist nun sein Chef Bischof Peter Kohlgraf (51), der einige Jahre Schulseelsorger am Erzbischöflichen Gymnasium Marienberg war und in diesem Jahr Einmaliger Ehrengast beim bevorstehenden Neusser Schützenfest ist. Peter Kohlgraf, versierter Musiker, gab kurz nach seiner Bischofsweihe zusammen mit Daniel Beckmann im Mainzer Dom ein Aufsehen erregendes Orgelkonzert „zu vier Händen und vier Füßen“.

In Neuss spielte Daniel Beckmann natürlich solo und sorgte schon mit Johann Sebastian Bachs „Präludium und Fuge a-Moll“ für den ersten Eindruck: Da sitzt ein außergewöhnlicher Virtuose am Spieltisch! Das sollte das Hauptwerk des Abends, die Sonate in c-Moll – „Der 94. Psalm“ - von Julius Reubke, zum Erlebnis machen. Der Liszt-Schüler, der nur 24 Jahre alt wurde, schrieb dieses monumentale Orgelwerk, eines der genialsten der Romantik überhaupt, ein Jahr vor seinem Tod 1858.

Nun handelt der 94. Psalm von Rache – „Herr, Gott, des die Rache ist“: Entsprechend dramatisch, oft düster ist die Atmosphäre in dieser symphonischen Dichtung mit groß angelegten Klangsteigerungen. Die gleiche thematische Substanz geht nahtlos in einem Adagio in einen lyrischen Abschnitt über, denn im Psalm heißt es auch: „Deine Tröstungen ergötzten meine Seele“.

Mit vielen Registerwechseln hielt Beckmann die Spannung zwischen den Abschnitten in einem großartigen musikalischen Fluss. Während für viele Organisten das Werk wegen erheblicher technischer Schwierigkeiten außer Reichweite ist, spielte der Mainzer Domorganist makellos. Für die Zuhörer war das Erlebnis die vollendete Symbiose zwischen leidenschaftlichem Temperament und Empfindsamkeit.

Dieses außergewöhnliche Tongemälde ergänzte Beckmann durch ein weiteres organistisches „Schwergewicht“, die Symphonie VI g-Moll, die Charles-Marie Widor auf dem Höhepunkt seiner kompositorischen Meisterschaft schuf. Monumentale Ecksätze wechseln mit expressiven langsamen Sätzen und einem virtuosen Intermezzo ab. Auch da schöpfte Beckmann die attraktiven orchestralen Möglichkeiten der Münsterorgel vollkommen aus.

Info Abschluss mit dem Trierer Domorganist Josef Still am Sonntag (20 Uhr)

(Nima)
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