Prozess um getöteten Elfjährigen in Neuss „Er war emotionslos bei der Reanimation“

Neuss/Düsseldorf · Im Prozess um den mutmaßlichen Kindermörder Sven F. sagte am Donnerstag eine Kinderärztin aus, die den Einsatz miterlebte.

 Sven F. sitzt seit Oktober 2017 in Untersuchungshaft.

Sven F. sitzt seit Oktober 2017 in Untersuchungshaft.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Mit frisch rasiertem Kopf nahm Sven F. am Donnerstag auf der Anklagebank Platz. Minuten später sah sich der Neusser, der wegen der Tötung seines elf Jahre alten Neffen Jörg angeklagt ist, mit dem Vorwurf konfrontiert, während der Reanimation des Jungen völlig emotionslos gewesen zu sein. Das geht aus den Schilderungen einer Kinderärztin hervor, die am Donnerstag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht als Zeugin aussagte.

Sie gehörte zum Team, das an jenem 5. Oktober 2017 nach Weckhoven ausrückte. Als sie ankam, seien die ersten Sanitäter schon da gewesen und hätten bereits mit der Wiederbelebung begonnen. Der Junge soll nass gewesen sein und nur mit einer Unterhose bekleidet im Flur gelegen haben. „Mir fiel direkt auf, dass sein Kopf viel zu groß ist“, so die Kinderärztin. Zudem seien ihr unter anderem Schürfwunden an seinen Schultern aufgefallen. Der Angeklagte habe während der Reanimation nicht nur emotionslos gewirkt, sondern auch Telefonate geführt. „Das hat mich schockiert“, so die Zeugin, die zudem auf eine Auffälligkeit im Badezimmer, wo es zu der Misshandlung gekommen sein soll, aufmerksam machte: „Der Boden war völlig trocken.“ Die Kinderärztin habe das Badezimmer betreten, um einen Bademantel zu holen und den Jungen für den Abtransport damit abzudecken.

Der trockene Boden passt so gar nicht zu den Schilderungen von Sophie F., der Ehefrau des Angeklagten, die bei ihrer Einlassung vor Gericht jüngst ein Teilgeständnis ablegte und versuchte, ihren Mann zu entlasten. Sven F. hatte die Tat zunächst gestanden, später jedoch sein Geständnis widerrufen und seine Ehefrau beschuldigt. Sophie F. gab zu, den noch angezogenen Jungen mit der Brause nass gemacht zu haben, weil er nicht habe duschen wollen. Als sich Jörg weiterhin weigerte, habe sie „Rot gesehen“ und ihm mit der linken Hand eine Ohrfeige gegeben. Anschließend sei der Junge mit dem Kopf gegen die Badezimmerwand oder eine Handtuchstange geprallt. Die tödlichen Verletzungen könne sie sich jedoch nicht erklären.

Am Donnerstag sagte zudem eine Familie aus, die mit Sven F. und seiner Frau befreundet ist. Im Vordergrund stand dabei ein gemeinsamer Besuch in der JVA Ende Juni. Nach Angaben der Zeugen soll Sven F. während des Besuches seine Frau aufgefordert haben, jetzt endlich „die Münze umzudrehen“. Als die Zeugin sie am Abend  auf die Bedeutung dieser Aussage ansprach, habe Sophie F. zugegeben, „dass sie das mit Jörg gewesen sei“. Zudem habe die Freundin Sophie F. geraten, zur Polizei zu gehen, weil sie eine geringere Strafe zu erwarten habe als ihr vorbestrafter Ehemann Sven. Die Kinder des Angeklagten und seiner Ehefrau leben mittlerweile im Heim.

Zum Ende des Prozesstages stellte Dagmar Loosen, Verteidigerin von Sven F., unter anderem den Antrag, ein psychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten über Sophie F. erstellen zu lassen, da die Ehefrau unter anderem in den polizeilichen Vernehmungen mehrfach die Unwahrheit gesagt habe.

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