Neuss Ärzte dürfen nicht streiken, aber protestieren

Neuss · Patienten erreichen die Praxis von Dr. Dirk Stenmanns zu den Sprechzeiten telefonisch – die Krankenkassen nicht. "Seit Montag geben wir den Krankenkassen nur vor 8 und nach 20 Uhr Auskunft auf mündliche Anfragen – aber zu den Zeiten arbeitet dort ja keiner", sagt Stenmanns.

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Foto: dapd, Joerg Koch

Patienten erreichen die Praxis von Dr. Dirk Stenmanns zu den Sprechzeiten telefonisch — die Krankenkassen nicht. "Seit Montag geben wir den Krankenkassen nur vor 8 und nach 20 Uhr Auskunft auf mündliche Anfragen — aber zu den Zeiten arbeitet dort ja keiner", sagt Stenmanns.

Auf schriftliche Anfragen reagiert seine Praxis gar nicht. "Das ist erst einmal eine Warnung an die Krankenkassen", sagt der Neusser Internist.

Damit reagieren Kassenärzte wie Stenmanns auf die in Berlin geplatzten Honorarverhandlungen mit den Kassen. Diese hatten den Ärzten eine Anhebung von 0,9 Prozent angeboten. In einem offenen Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) an ihre Mitglieder wird dies als "lächerlich" bezeichnet. Angesichts der Inflationsrate handle es sich in Wirklichkeit um eine Minusrunde.

Karin Hamacher, Pressereferentin bei der KVNo, betont: "Der Frust bei den Ärzten ist groß." In einer bundesweiten Urabstimmung heute Abend fragt die Allianz Deutscher Ärzteverbände die Bereitschaft zu weiteren Protestmaßnahmen ab. Verbandssprecher Dr. Dirk Heinrich stellt klar, dass mit den Aktionen die Kassen und nicht die Patienten getroffen werden sollen.

Komplett die Arbeit niederlegen, also streiken, dürften Ärzte allerdings auch gar nicht, erklärt Dr. Rudolf Kochs, Sprecher der Hausärztegruppe in Neuss. Denn die Ärzte sind an die soziale Gesetzgebung gebunden, die eine Aufrechterhaltung der Patientenversorgung fordert. "Die soziale Gesetzgebung ist eine dauerhafte Notstandsgesetzgebung, und in einem Notstand gibt es keine Streiks", erklärt Kochs.

Die Proteste der Ärzte, die Auskunft an die Krankenkassen zu verzögern, sieht er so: "Das ist ein Scheingeplänkel. Da wird mit den Säbeln gerasselt, aber die Säbel werden nicht gezogen und sie haben durch die soziale Gesetzgebung auch keine Spitzen. So wird sich auch nichts ändern. Das Gesamtproblem, die Zwangsjacke soziale Gesetzgebung, bleibt bestehen."

Die einzige Lösung sieht Kochs in "gelebter und kontrollierbarer Transparenz" von allen Beteiligten, denn: "Wenn man Brötchen kauft, weiß man auch, was die kosten und man kennt den Bedarf. Das ist bei ärztlichen Behandlungen anders." Kochs ergänzt: "Als Hausärzte können wir nicht einen Patienten für 35, 36 Euro ein ganzes Quartal lang mit allem drum und dran betreuen. Das geht nicht", sagt Kochs und fügt ein Beispiel an: "Ich habe das auch meinem Friseur vorgeschlagen: ,Ich zahle dir 35 Euro und du musst dafür drei Monate lang alles machen, vom Haareschneiden bis zur Dauerwelle.' Da sind ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen." So sehe aber die Praxis bei Ärzten aus.

(NGZ/rl)
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