Mönchengladbach Prozess gegen Betreuerin: Corsagen für 90-Jährige?

Mönchengladbach · Im Prozess vor der Ersten Strafkammer des Mönchengladbacher Landgerichts, in dem einer Berufsbetreuerin (55) gewerbsmäßige Untreue und Betrug vorgeworfen wird, beschwerte sich gestern der als Gehilfe mitangeklagte Bezirksrevisor. Der 60-jährige Freund der Angeklagten soll billigend in Kauf genommen haben, dass sie sich an den Betreuungsfällen bereicherte.

"Wissen sie, wie das ist, wenn man jede Woche in der Zeitung steht, obwohl man weiß, man hat nichts gemacht", wandte sich der Mitangeklagte wütend an den Vorsitzenden. Kurz zuvor hatte er zugegeben, an einem Rechnungsbeleg eines Schreibwarengeschäftes über 260 Euro das Datum geändert zu haben. Die Kripo hatte ermittelt, dass da ein früheres Datum überschrieben worden war.

Die Betreuerin, die in den Jahren 2002 bis 2006 für die Vermögensverwaltung ihrer oft gebrechlichen und bettlägerigen Schützlinge zuständig gewesen war, hatte offenbar für einen Einkauf aus einem Beleg zwei gemacht und für zwei betreute Personen angegeben. "Ich hab mir keine Gedanken gemacht, habe doch meiner Freundin damals nur bei der Buchhaltung geholfen", beteuerte der 60-Jährige sinngemäß.

Außerdem standen gestern Zeuginnen im Mittelpunkt, die etwas zu dem Hauptvorwurf des Staatsanwaltes sagen konnten. In 325 Fällen soll die 55-Jährige auf Kosten ihrer Schützlinge Waren für den täglichen Gebrauch und Luxusgegenstände gekauft, aber dann für sich behalten haben. So erinnerte sich gestern die Chefin eines Mönchengladbacher Wäschegeschäftes, dass die Betreuerin dort Corsagen für je 200 Euro gekauft hatte — für eine über 90 Jahre alte Frau, die an den Rollstuhl gefesselt war. "Die trägerlosen Teile werden im Rücken geschnürt und machen eine schlanke Taille", so die Zeugin. Die Frage des Verteidigers, ob die Corsage auch den Rücken stärke, bejahte die Geschäftsfrau. Die Angeklagte, die ansonsten im Gerichtssaal schweigt, verfolgte die Antwort der Zeugin mit eifrigem Kopfnicken.

Auch eine Altenpflegerin konnte sich nicht erinnern, Stringtangas, angeblich für die alte Dame von der Angeklagten gekauft, in deren Zimmer im Altenheim gesehen zu haben. Zwei Giraffen-Dekofiguren habe sie nie in deren Zimmer gesehen, war sich die Zeugin bei der Polizei noch sicher gewesen. Der Prozess wird fortgesetzt.

(RP)
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