Mönchengladbach Dieter Lenßen wandelt sich zum Rentner

Mönchengladbach · An den neuen Lebensrhythmus als Rentner muss sich Dieter Lenßen erst noch gewöhnen. Bis sich der Kopf umstellt, erfordere es einen "gewissen Findungsprozess", sagt der 63-Jährige. Denn Arbeiterwohlfahrt, Kommunalpolitik und Zehn-Stunden-Arbeitstage sind noch nicht lange her.

 Arbeitsbesprechung: Dieter Lenßen (Zweiter von links) mit Ehrenamtlern bei der Awo Wickrath.

Arbeitsbesprechung: Dieter Lenßen (Zweiter von links) mit Ehrenamtlern bei der Awo Wickrath.

Mit Begegnungsstätten für ältere Menschen kennt er sich aus. Schließlich hat Dieter Lenßen sich drei Jahrzehnte lang darum gekümmert, dass es in seiner Stadt ein entsprechendes Angebot gibt. Nun aber ist er nach 31 Jahren als Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Mönchengladbach selbst Rentner.

Mit 63 zwar noch nicht so weit, dass Altentagesstätten in seinem ganz privaten Lebensraum schon eine bestimmende Rolle spielen würden. Doch er hat in den ersten drei Monaten bereits gemerkt, dass das Rentnerdasein "einen gewissen Findungsprozess" erfordert. "Der Kopf stellt sich allmählich um. Es dauert alles etwas länger", sagt er.

Es ist gewiss keine leichte Umstellung für einen Mann, der fast sein Leben lang "mindestens zehn Stunden pro Tag und noch einige am Wochenende dazu" gearbeitet hat. Doch er macht ja auch nicht von heute auf morgen ganz Schluss. Er mag noch nicht auf die Mönchengladbacher Awo und die nicht ganz auf Dieter Lenßen verzichten. So kümmert er sich, nun ehrenamtlich, einmal als Vorsitzender um seinen Ortsverein Wickrath, der mit gut 700 fast die Hälfte der 1500 Awo-Mitglieder in der Stadt stellt, dazu noch um Rheindahlen und Hardt/Venn.

Und er arbeitet gemeinsam mit Uwe Bohlen, seinem Nachfolger als Geschäftsführer, daran, den ehrenamtlichen Bereich im Wohlfahrtsverband weiter auszubauen: "Wir haben uns für dieses Projekt zwei Jahre gesetzt, dann soll es vielleicht auf andere übertragen werden. Und wir sind schon auf einem guten Weg."

Als Dieter Lenßen sich 1980 von Freunden aus der Awo und der hiesigen SPD dazu hatte verleiten lassen, nach zehn Jahren in der kaufmännischen Abteilung des Energie-Konzerns RWE an die Spitze der Awo Mönchengladbach zu wechseln und er den Job antrat, bekam er erst einmal einen Schreck. "Als die Anfrage kam, war ich stolz und hatte mich nicht ganz genau informiert.

Aber dann habe ich schnell festgestellt, welchen Nachholbedarf es gab", gesteht er seine damalige Blauäugigkeit. Das begann fast schon deprimierend beim Betreten des damaligen Geländes der Awo-Verwaltung an der Aachener Straße: "Ein ganz altes Haus, zu dem man über einen Schrottplatz kam, der abends im Dunkeln lag. Jede Woche wurde eingebrochen, manchmal war ich dann schneller dort als die Polizei", erzählt Dieter Lenßen heute amüsiert.

Nachhaltig geschockt hat es ihn ja auch nicht, sonst wäre er nicht 31 Jahre bis zum 30. September 2011 dabei geblieben. Eine Zeit, die in dieser Länge bei der Awo, neben Caritas und Diakonie einer der großen Wohlfahrtsverbände in Deutschland, eine große Ausnahme. "Zum Glück hatte ich aber auch mit Helmuth Kuhlen und Hermann Jansen zwei sehr starke ehrenamtliche Vorsitzende, mit denen auch Freundschaft entstand."

Drei Jahrzehnte später darf Dieter Lenßen zufrieden zurückblicken auf das, was die Awo in Mönchengladbach geschaffen hat: "Wir haben in allen ehemaligen Stadtbezirken, bis auf Odenkirchen, große Einrichtungen. Die Verwaltung an der Brandenburger Straße mit einer Altentagesstätte, dazu fast überall in der Stadt Sozialzentren, Kinder- und Altentagesstätten sowie Wohnungen, etwa für Aussiedler."

Der Erfolg hat viel Einsatz und Zeit gekostet. Und neben dem Awo-Geschäftsführer gab es ja auch noch den Politiker Dieter Lenßen. 25 Jahre war er in der SPD, 20 Jahre im Stadtrat. Dort gab es allerdings einen Ausklang mit Misstönen. 1995 trat er mit den Ratskollegen Winfried Eßer, Günter Waldhausen, Hans-Günter Steins und Felizitas Vosen aus der SPD aus; sie gründeten als Unabhängige Sozial-Demokraten (USD) eine eigene Fraktion im Stadtrat, die bis zur Wahl 1999 im Amt blieb. "Der Entschluss auszutreten ist nicht leicht gefallen. Aber wir konnten uns gegen diejenigen in der SPD, die den laufenden Kooperationsvertrag mit der CDU beenden wollten, nicht durchsetzen", erklärt Lenßen den Schritt der vier Rebellen.

Seit einigen Jahren ist er nun Mitglied in der CDU, seit zwei Jahren auch im Kreisparteivorstand – "aber ohne mich aus dem Fenster zu lehnen". Und er bereitet sich Stück für Stück auf mehr Ruhestand vor. Zu dem gehört auch Murphy, der vor einem Jahr zugelaufene Kater einer verstorbenen Nachbarin: "Wenn er abends nicht zu Hause ist, kann ich nicht schlafen. Murphy ist mein ganzer Stolz", sagt Dieter Lenßen. Vielleicht ist der Tag ja auch nicht ganz so sehr weit weg, an dem er in die Wickrather Altentagesstätte an der Rossweide nicht nur zum gemeinsamen Gucken der Spiele Borussias ("Dazu kommen zwischen 20 und 40 Leute") geht. Herzlich willkommen wird er sicher sein.

(RP)
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