"Nachaktiv" Odyssee durch Nacht und Zeit

Mönchengladbach · "Einlass", ruft Michl Neupert. Die rund 50 Wartenden drängen sich in die Aula des Humanistischen Gymnasiums. "Jetzt geht's los", raunt es aus der Menge. Unmerklich erheben sich aus dem Raunen des Publikums Stimmen, die etwas zu sagen haben.

Die Stimmen der neun Akteure — sieben Schülerinnen und ein Schüler der Q1 mit Lehrerin Verena Brüster — sorgen mit der Theaterperformance "Nachtodyssee" für das Special des Quartiers Abteiberg in der Kulturnacht. Neupert vom Ein-Euro-Ensemble aus Krefeld hat mit den Schülern Texte erarbeitet. "Zeit heilt Wunden", "eine halbe Unendlichkeit", "von jetzt auf gleich" — aus dem Raunen entwickeln sich verständliche Sprachfetzen. Anstatt zuzuhören, fühlt sich das Publikum zum Reden animiert, was nicht Absicht der Performer ist. Die Akteure verteilen Taschenlampen, die später nützlich sind. Wände werden verschoben und die Akteure verlassen den Saal. Das Publikum folgt. Die Odyssee beginnt.

Da es im ganzen Gebäude stockdunkel ist, weist nur der Schein der Taschenlampen den Weg. Die Spielcrew führt die Zuschauer von Raum zu Raum und von Szene zu Szene. Manchmal stehen die Besucher im Kreis um die Spieler, manchmal schreiten sie an den Akteuren vorbei, wenn diese im Treppenhaus in den Ecken stehen und gegen die Wand sprechen. Die Texte kreisen um das Thema "Zeit" — Anfang, Ende, Dasein, Verlassensein, Aufwachen. Die Gruppe bespielt alle Ebenen des Gebäudes.

Dann geht es nach draußen auf die Außenplattform. Der Wind pfeift, es regnet, die Taschenlampen schwirren wie Glühwürmchen. Die Großgruppe löst sich auf. Kleine Grüppchen bilden sich um jeweils einen Sprecher. Von überallher dringen Stimmen. Hier eine kleine Liebesepisode, scheinbares Glück, aber in der Stimme der Interpretin schwingt Traurigkeit mit. "Das Eis war zu dünn für dich. Der See war groß und du warst weg." Ein paar Schritte weiter schreit jemand hysterisch. In einer Text-Endlosschleife endet das Stück, als wolle es sagen: "Gleich beginnt alles von vorn."

(ac)
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