Mönchengladbach Als Kinderbücher den Krieg erklärten

Mönchengladbach · Museum Schloss Rheydt zeigt eine Ausstellung im Vorburgkabinett. Zu sehen sind 110 Kinderbücher aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Friedrich Stephan stellt die Exponate aus der Sammlung seiner Frau dem Museum zur Verfügung.

Vor 15 Jahren war ein Teil der Kinder- und Jugendbücher, die das Museum Schloss Rheydt ab Sonntag in seinem neuen Kabinetts-Schauraum in 17 Vitrinen präsentiert, bereits in der Stadtbibliothek zu sehen. Jetzt, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, passt das Thema "Nesthäkchen und Trotzkopf im Weltkrieg" indes besser in die Gedenk-Chronologie als 1999, 85 Jahre nach Kriegsbeginn.

"Man kann zum Ersten Weltkrieg gar nicht genug machen, es ist das wichtigste Datum der europäischen Geschichte seit der Französischen Revolution", sagt Kultur- und Bildungsdezernent Dr. Gert Fischer. Der Historiker erkennt Auswirkungen des Ersten Weltkriegs (WK I) bis in die Gegenwart, was bei den Verwerfungen im Balkan oder aktuell in der Ukraine zutage trete. Tatsächlich habe der Krieg 1914/1918 im Kern auch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit verursacht.

Vier Ausstellungen wird das Museum Schloss Rheydt in diesem Jahr dem Beginn des WK I vor 100 Jahren widmen. Der Auftakt ist am Sonntag, 11. Mai, 11.30 Uhr, in der Museumsvorburg. "Eine Programmstruktur nach dem Motto ,Der Erste Weltkrieg und Mönchengladbach . . .' haben wir verworfen, das machen viele andere Städte in Deutschland und Europa", erklärt Museumsdirektor Dr. Karlheinz Wiegmann. Stattdessen besann man sich auf eine fast 10 000 Bände zählende historische Sammlung von Kinder- und Jugendbüchern. Die hat seit den frühen 1980er-Jahren die 2001 verstorbene Schulleiterin und Kinderbuchautorin Freya Stephan-Kühn aufgebaut. Witwer Friedrich Stephan stellte daraus ein Konvolut von etwa 110 Büchern zusammen. In sechs Themengruppen machen die Exponate deutlich, wie "erschreckend natürlich, selbstverständlich" der Krieg den Kindern vermittelt wurde, erinnert Fischer. Anders als heute wurde Krieg nicht als Supergau geschildert, sondern als ein Phänomen, auf das ein ganzes Land vorbereitet werden muss.

Sammler Stephan weiß, dass in der Buchreihe "Trotzkopf", deren Pilotband Emmy von Rhoden 1885 verfasste, Mädchen an ihre Pflichten an der Heimatfront ermahnt wurden. Und in der Serie "Nesthäkchen" erschien 1917 ein Band mit dem Titel "Nesthäkchen und der Weltkrieg", den die jüdische Autorin Else Ury schrieb.

Auch wenn die Mehrzahl der Kinderbücher zum WK I eine propagandistische Einstellung zum Krieg vertritt, fehlen kritische Stimmen nicht. So ist in der Ausstellung eine jugendgemäße Bearbeitung des Romans "Die Waffen nieder" der österreichischen Pazifistin Bertha von Suttner mit dem Titel "Martha's Tagebuch" sowie das Lazarettbuch "Soldatenkinder" zu sehen. Kinderbücher aus Frankreich und England ergänzen die Auswahl. Ziemlich witzige Darstellungen weist die britische Struwwelpeter-Parodie "Swollen-headed William" auf. Ganz schön unter die Haut gehen die Berichte des Odenkircheners Otto Helmuth Michels (1892-1918), der bereits 1915 aus Flandern schrieb: "Fluch denen, die den Krieg heraufbeschworen!"

Parallel zur Ausstellung erarbeitet eine Schülergruppe an der Gesamtschule Espenstraße ein zeitgemäßes Kinderbuch, berichtete Museumspädgoge Dr. Klaus Möhlenkamp. Da der umfängliche Katalog nur in wenigen Handexemplaren vorhanden ist, sind Besucher der Ausstellung eingeladen, das illustrierte Buch sitzend zu studieren. "Dafür stehen drei Schulbänke bereit, die uns die Bischöfliche Marienschule zur Verfügung stellte", freut sich Sammler Stephan.

(RP)
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