Jüngermanns Wahlblog Warum Podiumsdiskussionen eine saisonale Plage sind

Mönchengladbach · Wahlzeit! Es ist angerichtet! Alles, was Sie hier in den kommenden Wochen an Eindrücken, Anekdoten und Begebenheiten zur Wahl am 25. Mai lesen, bekommen Sie garantiert nirgendwo anders erklärt. Also: Gute Wahl!

 Eine Podiumsdiskussion mit den OB-Kandidaten.

Eine Podiumsdiskussion mit den OB-Kandidaten.

Foto: Ilgner Detlef

Nun ist wieder die große Zeit der politischen Podiumsdiskussionen; und ehe sie - wie andere saisonale Plagen, zum Beispiel Mücken und Raupenspinner — schon wieder von noch Schlimmerem abgelöst werden, treten wir noch mal näher ran. Ich weiß nicht, für wen die Angelegenheit unbefriedigender ist: für die Veranstalter, die Politiker oder das Publikum. Jeder hat sein Päckchen zu tragen.

Der Veranstalter matert sich einige Woche mit der Frage, wen er als zum demokratischen Spektrum zugehörig betrachtet und lädt schließlich zwischen zwei und neun Oberbürgermeister-Kandidaten ein. Es gibt derer zehn, aber die NPD taugt höchstens als Schreckgespenst für wohlgemeinte Wahlaufrufe — nicht aber für Diskussionen mit Anspruch an politischer Redlichkeit. Dummerweise taugen auch manche der anderen Bewerber nur bedingt für diesen Anspruch. Erst recht nicht, weil die meisten Veranstalter auch noch ein Thema vorgeben; in der Regel das einzige, das sie interessiert. Denn — so viel zur politischen Redlichkeit — am Ende interessiert Verbände und Gruppierungen in erster Linie, was ein Oberbürgermeister ihnen höchstpersönlich nutzen würde. Und so müssen die Herrschaften diskutieren zu: Inklusion, zum Flughafen, zu Jugendpolitik, zu Sozialem.

Jüngermanns Wahlblog: Warum Podiumsdiskussionen eine saisonale Plage sind
Foto: Isabella Raupold

Wir warten stündlich auf die Einladung zu Diskussionen zu den Themen: Schwimmzeiten in Bädern, Gebäudehöhen von Neubauten, Großveranstaltungen in Genhodder und die Schaltung der Fußgängerampeln in Wickrathberg. Es kommt: der Oberbürgermeister. Er ist der einzige, der qua Amt von all diesen Themen Ahnung hat. Wobei man genau genommen sagen muss: Er kennt immer einen, der Ahnung hat. Nämlich einen seiner 3300 Mitarbeiter. Den lässt er vorher die wichtigsten Fakten und Thesen zum Thema aufschreiben und liest sich die auf dem Weg zur Veranstaltung durch, während sein Fahrer den Wagen steuert. Alles gut und richtig.

Dann gibt es noch, je nach Besetzungsliste, drei Ratsmitglieder, die sich grob in den jeweiligen Themen auskennen. Was sie markant vom Rest der Mitdiskutanten unterscheidet. Nicht selten auch vom Moderator, der oft nicht weiß, was Kommunalpolitiker rein rechtlich überhaupt tun können und was sie zu lassen haben. So nehmen lange 90 Minuten ihren Lauf, in denen rein statistisch jeder gut 10 Minuten was sagen könnte — wenn er was zu sagen hätte. Und wenn der Moderator nicht so lange für seine Co-Referate brauchen würde. Am Ende gehen alle mit dem Gefühl nach Hause, das Thema sei wahnsinnig komplex und die Politiker sich im Wesentlichen einig. Aber man hat sie wenigstens mal alle livehaftig gesehen und kann dann wenigstens aus dem Bauch heraus entscheiden, wem man diese Stadt anvertrauen möchte. Meistens sind das nicht mal die schlechtesten Entscheidungen.

(ac)
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