Kinderarzt aus Mönchengladbach „Doktor, du siehst cool aus“

Mönchengladbach · In einer Anzeige hat sich Kinderarzt Dr. Eberhard Berg von seinen Patienten und seinem Team in der Kinderarztpraxis in Mönchengladbach verabschiedet. Der 60-Jährige geht in Rente. Der Mann hat viel zu erzählen.

 Ein Kind beim Arzt (Symbolbild).

Ein Kind beim Arzt (Symbolbild).

Foto: Shutterstock/JPC-PROD/JPC-PROD

„Eigentlich hätte man sich viele Situationen mal aufschreiben müssen, um sich auch später noch daran erinnern zu können“, sagt Berg. Den Tipp gebe er auch gerne Eltern. Einige Momente mit seinen kleinen Patienten sind dem 60-Jährigen aber auch heute noch in guter Erinnerung geblieben. „Es gab einen Jungen, er muss damals etwa sechs Jahre alt gewesen sein, der sagte mir ‘Du siehst cool aus, Doktor‘. Wie er darauf kam, das weiß ich nicht“, sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Einem anderen Patienten ging die Untersuchung nicht schnell genug. „Mach voran Doktor, mir wird kalt.“ Kinder sind ehrlich.

Nach fast 30 Jahren hat Eberhard Berg seine Kinderarzt-Praxis in Mönchengladbach an jüngere Kollegen übergeben. In der Anzeige schrieb Eberhard Berg, er gehe „mit leichtem Herzen“, da er weiß, dass er seine Patienten in liebevolle und erfahrene Hände übergibt. Doch so leicht fällt ihm der Abschied nicht: „Man freut sich über die Freiheit, die man nun hat – aber dann kommt die Wehmut“, sagt der 60-Jährige. Zu schön, zu emotional und manchmal auch traurig sind die Erinnerungen an seine Zeit als Kinderarzt.

 Dr. Eberhard Berg in seiner ehemaligen Praxis.

Dr. Eberhard Berg in seiner ehemaligen Praxis.

Foto: Reichartz,Hans-Peter (hpr)

Der gebürtige Gladbacher studierte in Bonn und Kiel, bevor er 1985 vier Jahre lang im Elisabeth-Krankenhaus seine Facharztausbildung absolvierte. 1989 kam er in die Kinderarztpraxis seiner Tante und übernahm diese ein halbes Jahr später. Den Wunsch, Kinder zu behandeln, hatte Berg schon früh. „Daran hatte auch meine Tante einen großen Anteil“, sagt er. „Ich habe gesehen, wie sie in dem Beruf aufging und wie viel Freude ihr das machte.“

Berg hat sich vielen Kindern und deren Eltern als Arzt nahe gefühlt. „Als Kinderarzt gehört man irgendwie zur Familie“, sagt er. Man begleite die Kinder meist schon als Babys, bis hin zur Volljährigkeit. Ein Gefühl, das ihm nun fehlen werde. „Das bekommt man nicht wieder.“ Verändert habe sich in seiner Zeit als Kinderarzt recht viel: Viele Kinder kommen bereits mit wenigen Monaten in die Kita, daher habe er häufiger Mütter in der Praxis gehabt, die eine ärztliche Bescheinigung für den Arbeitgeber brauchten, damit sie sich um ihre kranken Kinder kümmern konnten. Nur eines sei gleich geblieben: „die Kinder. Sie versuchen nur, sich in einer Welt zurecht zu finden, die sich immer schneller dreht.“

 Diese Anzeige veröffentliche Berg zu seinem Abschied.

Diese Anzeige veröffentliche Berg zu seinem Abschied.

Foto: skr

Auch wenn es nicht so häufig vorkommt, wie in anderen medizinischen Berufen, hat Berg auch mit dem Tod umgehen müssen. „Es gab leider auch Patienten, bei denen man wusste, dass sie das Erwachsenenalter nicht erreichen würden. Das macht einen traurig, wenn man so etwas weiß.“ Berg hat diese Kinder häufig über mehrere Jahre, bis zu ihrem Tod begleitet. „Mein Glaube, dass mit dem Tod nicht alles aufhört, kann die Eltern nicht trösten. Aber mein Glaube hilft mir, mit den Eltern den Verlust auszuhalten“, sagt Berg, der auch in der Kirche aktiv ist.

Berg wird den Arztkittel gegen einen Talar tauschen, denn, bald soll er zum Prädikant ordiniert werden. Dann darf er evangelische Gottesdienste leiten. So ganz wird der weiße Kittel aus seinem Schrank aber nicht verschwinden. „Hin und wieder werde ich auch Notdienste übernehmen“, sagt Berg.

In seiner neu gewonnen Freiheit hat Berg noch keine großen Pläne gemacht: „Ich widme mich erstmal den ganzen angelesenen Büchern auf meinem Nachttisch“, sagt er. Er freue sich darauf, einfach nur die Ruhe genießen zu können. Der Beruf als Kinderarzt sei, trotz der vielen schönen Momente, auch sehr anstrengend. „Man ist morgens um 7.30 Uhr in der Praxis, hat um 13 Uhr eine Stunde Mittagspause und arbeitet dann wieder bis 19 Uhr“, sagt Berg. Nach einem kurzen Abendessen habe er meist noch ein bis zwei Stunden im Büro verbracht und dort Papierkram erledigt und mit Eltern telefoniert. „Der Beruf war schon anstrengend, aber der Spaß hat es immer aufgehoben.“ Mit dem Alter sei die Anstrengung jedoch immer größer geworden. „Auch wenn die Freude immer überwogen hat, habe ich vor drei Jahren beschlossen, dass nun der richtige Zeitpunkt ist aufzuhören - bevor es anders wird.“

Seinen Patienten wird er fehlen: Auf Facebook postete eine Mutter die Abschiedsanzeige von Berg. In zahlreichen Kommentaren bekundeten die Eltern seiner ehemaligen Patienten ihre Sympathie für den Arzt und das Bedauern über seinen Abschied.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort