Mönchengladbach Kiew: Mitdemonstrieren unerwünscht

Mönchengladbach · Der Übersetzer, Journalist und Ratsherr Bernhard Clasen konnte sich eine Woche lang ein Bild von der Lage in der Ukraine machen. Sein Fazit: Die Opposition ist sich nur einig im Widerstand gegen den Präsidenten.

Gladbacher zeigt beeindruckende Bilder vom Maidan
16 Bilder

Gladbacher zeigt beeindruckende Bilder vom Maidan

16 Bilder

Kiew ist eine schöne Stadt, keine gesichtslose Metropole aus der Sowjetzeit, sondern mit eigenem Charme, gut erhaltenen historischen Gebäuden und goldenen Kuppeln. Kiew ist aber auch eine Stadt im Ausnahmezustand, in der die Haupteinkaufsstraße und der zentrale Maidanplatz von Demonstranten besetzt sind, Barrikaden zwei Meter hoch aufgetürmt wurden und Gegendemonstranten einen weiteren Platz abgesperrt haben. Bernhard Clasen, Gladbacher Journalist, Linken-Ratsherr, Russisch-Dolmetscher und -Übersetzer, war eine Woche lang in Kiew und konnte mit allen Seiten reden.

"Wenn man vor Ort ist, merkt man, dass man die Lager nicht einfach in Gut und Böse einteilen kann", sagt Clasen. Er hat sich auf dem Maidan, dem von der Opposition besetzten Platz im Herzen der Hauptstadt, umgesehen. "Es herrscht dort eine sehr offene Atmosphäre, aber man bemerkt auch bei einigen Gruppen eine hohe Gewaltbereitschaft", erzählt er. Es sei eine autonome Stadt auf dem Maidan entstanden mit Zelten, Suppenküche und Toiletten.

Der Gladbacher Journalist und Ratsherr Bernhard Clasen.

Der Gladbacher Journalist und Ratsherr Bernhard Clasen.

Foto: Clasen

Bei bis zu minus 17 Grad harrt dort die Opposition aus, die allerdings nur eins eint: das Feindbild Janukowitsch. "Die allgemeine Stimmung in Kiew ist gegen den Präsidenten gerichtet", berichtet Clasen. "Die Leute haben genug von der Korruption und der Brutalität, mit der die Regierung vorgeht." Es gebe allerdings keine Pläne, wie es nach einem Sturz Janukowitschs weiter gehen könne. Neben den gemäßigten Kräften spielten die ukrainischen Nationalisten eine wichtige Rolle. "Zu den Nationalisten gehören auch Rechtsradikale, die den Vorkriegsnationalistenführer Stepan Bandera verherrlichen, der für Massaker an der jüdischen Bevölkerung verantwortlich ist", erklärt Clasen.

Die merkwürdigste Erfahrung hat Clasen bei den Gegendemonstranten auf dem so genannten Anti-Maidan gemacht. "Ich habe noch nie eine Demonstration erlebt, an der man nur teilnehmen kann, wenn man auf einer Liste steht", meint er. Beim Anti-Maidan sei das jedoch der Fall gewesen: Auf den mit Zäunen gesicherten Platz wurden nur ausgewählte Personen gelassen. Einer der Umstehenden habe ihm erzählt, dass er aus Odessa komme und auch schon bei den Gegendemonstranten gewesen sei. Dafür bekomme man 20 Euro am Tag. Das ist eine ganze Menge Geld für ukrainische Verhältnisse.

"Die Stimmung in Kiew ist positiv", berichtet Clasen weiter. "Die Leute sind stolz darauf, dass sie mit ihrem Protest schon einiges erreicht haben." Allerdings sei eine Lösung schwer zu finden, denn der Osten der Ukraine sei eher pro-russisch, der Westen pro-europäisch. "Europa muss der Ukraine helfen, aber ohne Bedingungen", meint er. "Die Ukraine muss erst einmal ihre Identität finden."

Bernhard Clasen berichtet in einem Vortrag heute, 6. Februar, um 19 Uhr im Büro der Linken an der Hauptstraße in Rheydt von seinen Erlebnissen in Kiew.

(arie)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort