Wesel/Warschau Der Übersetzer des Polen-Papstes

Wesel/Warschau · Stefan Meetschen, aufgewachsen in Wesel am Niederrhein, übersetzt im polnischen Warschau die Notizen des Papstes Johannes Paul II. zu dessen Heiligsprechung ins Deutsche.

 Stefan Meetschen

Stefan Meetschen

Foto: SM

Ob er schon als Jugendlicher in Wesel, damals in den 1980er Jahren, ein großer Papst-Fan gewesen sei? Stefan Meetschen (45) lächelt und schüttelt den Kopf. Überhaupt nicht, sagt er, damals habe er bei Johannes Paul II. nur an Verbote und Lustfeindlichkeit gedacht. "Das Gegenteil von dem, was mir damals wichtig war." Auch als der polnische Papst 1987 den Marienwallfahrtsort Kevelaer besuchte, blieb Meetschen fern. "Ich mochte Kevelaer zwar schon als Kind, weil es eine gewisse mystische Atmosphäre besitzt, aber eine Wallfahrt zum Papst zu machen, dafür hatte ich keinen Sinn."

Heute ist es anders. Nicht nur dass sich Meetschen, der seit 2007 in Polen lebt und sich nahe Warschau mit seiner polnischen Frau Anna ein Haus gebaut hat, für Karol Wojtylas Bücher und Schriften interessiert - mittlerweile übersetzt er ihn auch. Gerade hat der Journalist und Autor ("Digitale Spiritualität", "Requiem für einen Freund") mit seiner Frau einen Mammut-Auftrag für den renommierten Herder-Verlag in Freiburg beendet: Die Übersetzung der persönlichen Notizen von Johannes Paul II. "Ich bin ganz in Gottes Hand". Über 600 Seiten in sechs Wochen. "Das war ein geistiger Marathon-Sprint", so Meetschen, "der viel Disziplin und ganzen Einsatz gefordert hat. Zumal Wojtyla als gelernter Philosoph gerade in der frühen Phase zu sehr abstrakter Ausdrucksweise neigte." Die Gedanken seien "sehr tief" und würden vom Leser eine enorme Aufmerksamkeit verlangen. "Keine Fast-Food-Kost." Also lohnenswert.

Es ist nicht die erste Begegnung für Meetschen mit dem Papst. Im vorigen Jahr trat ein anderer deutscher Verlag an ihn heran und bat darum, die Papst-Biographie, verfasst vom Postulator des Seligsprechungs-Prozesses, Slawomir Oder, zu übersetzen: "Darum ist er heilig". Wofür dem Ehepaar Meetschen aber mehr Zeit zur Verfügung stand. "Doch am Ende drängt einen auch bei einem solchen Auftrag der Wunsch, fertig zu werden", wie Meetschen zugibt. "Man muss lernen, die Unterschiede zwischen den Sprachen zu akzeptieren. Ansonsten könnte man über jedes Wort, jeden Satz wochenlang brüten."

Papst Franziskus spendet den Oster-Segen
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Dafür sieht Meetschen, der selbst auch ein Buch über Johannes Paul II. veröffentlicht hat, "Auf den Spuren von Johannes Paul II. in Polen", die Tätigkeit zu pragmatisch. "Der Leser soll den Sinn verstehen und dem übersetzten Autor muss man dienen - mehr ist es nicht."

Und wie ist das, wenn man wochenlang als verheirateter Mann in die Welt eines zukünftigen Heiligen eintaucht? Immerhin wird Johannes Paul II. am Sonntag in Rom heiliggesprochen. "Normal", sagt Meetschen, "so wie andere Leute die Schriften des Dalai Lama lesen oder die Bücher anderer religiöser Lehrer, tauche ich gerne mit Wojtyla in existentielle Fragen des Seins ein. Wobei man als Übersetzer natürlich noch langsamer und bewusster die Gedankengänge aufnimmt." Außerdem dürfe man den Papst nicht nur auf seine Aussagen zur Sexualethik reduzieren, wie Meetschen betont. Der Pole sei ein Mann mit einem weiten Horizont und echter Dialogbereitschaft gewesen, was auch die von ihm initiierten interreligiösen Treffen von Assisi belegen würden. "Es ging ihm immer um den Menschen, die Würde der Person. Daher rührte sein unermüdlicher Einsatz bis zum letzten Atemzug." Kein Papst der Verbote also, sondern der inneren und äußeren Freiheit.

Ob er denn - sozusagen zur Belohnung für den Übersetzerdienst - selbst auch nach Rom zur Heiligsprechung fahre? Meetschen schüttelt wieder den Kopf. "Ich bin im vergangenen Jahr als erster Deutscher in Warschau in den Ritterorden von Johannes Paul II. aufgenommen worden und bekam von dort früh die Einladung, mit einer Gruppe zu diesem großen Ereignis zu reisen. Ich wollte aber nicht. Ich mag keine Massenveranstaltungen." Auch bei der offiziellen Präsentation des übersetzten Werkes am Vorabend der Heiligsprechung glänzt das Ehepaar Meetschen durch Abwesenheit.

Irgendwann in diesem oder im nächsten Jahr plant Meetschen aber, mit seiner Frau zum Grab des neuen Heiligen fahren. "In der Hoffnung, dass es dann dort wieder ein bisschen ruhiger ist. Man sich konzentrieren kann." Ein wenig ist er also immer noch der einzelgängerische Jugendliche von damals. Auch als Papst-Übersetzer in Polen.

(RP)
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