An Allerheiligen der Toten gedenken Innehalten und der Verstorbenen gedenken

METTMANN · Allerheiligen? Ist das nicht einer dieser wunderbaren Tage, an denen man dafür bezahlt wird, die Füße auf die Couch zu legen und sich auszuruhen?

 Auf dem Friedhof Goethestraße befinden sich alte Familiengräber.

Auf dem Friedhof Goethestraße befinden sich alte Familiengräber.

Foto: Mikko Schimmelfeder

Von einem katholischen Pfarrer würde man als Antwort auf eine solche Frage wohl so einiges erwarten, aber bestimmt nicht das hier: „Füße hochlegen ist doch die Nebenbedeutung aller Feiertage.“ Monsignore Herbert Ullmann kann sowas sogar mit einem Lächeln sagen. Und das wiederum ist etwas, dass einen in den Bann zieht, ihm unbedingt weiter zuhören zu wollen, während er über den katholischen Heiligengedenktag spricht.

Sein Pfarrbüro hatte dazu eine Pressemitteilung verschickt, in der ihm ein Satz besonders wichtig gewesen sei: „Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben der katholischen Kirche, das Gedenken an die Verstorbenen wach zu halten – eine Aufgabe, ohne die Kirche leicht untergehen würde.“

In solch nahezu poetischen Worten klingt an, was Kirche jenseits  alleinseeligmachender Dogmen auch sein kann: Etwas zutiefst Spirituelles und eine Verbindung zu dem, was mal war. „Wir dürfen nicht die Vergangenheit vergessen und nur die Gegenwart leben.“, sagt Pfarrer Herbert Ullmann. Kirche sei auch eine Gemeinschaft gegen das Vergessen und Allerheiligen ein Tag, in dem man die Verstorbenen nochmals in die eigene Mitte holen könne.

Ging man in den vergangenen Wochen an der Alten Posthalterei vorbei, so konnte man spüren, wie es sich anfühlt, wenn ein Mensch nach seinem Tod von den Zurückgebliebenen sanft hinüberbegleitet wird in eine andere Welt. Kerzen, Blumen und abgelegte Briefe: All das ließ „Oberstadtbürgermeister“ Jochen Sickelmann, der dort über Jahrzehnte hinweg vor seinem Laden saß, vor dem inneren Auge auferstehen. Man schaute auf die Kerzen und sah ihn dort sitzen. So macht man es an Allerheiligen auch mit den Toten, die man schon vor Jahren oder gar Jahrzehnten verabschieden musste.

„Man braucht institutionelle Gelegenheiten, sonst geht die Erinnerung im Alltagstrubel unter“, weiß Herbert Ullmann. Vermisst man Verstorbene zuweilen über Jahre hinweg schmerzlich, so weicht die Trauer vielleicht, irgendwann, den sich wieder dem Leben zugewandten Sinnen. Zieht es die Zurückgebliebenen anfangs stetig auf den Friedhof, so verliert dieser Gang an Schwere, umfangen von der alle Wunden heilenden Zeit. Und dennoch hilft ein in der katholischen Tradition tief verankertes Ritual wie Allerheiligen dabei, sich dem Reich der Toten inmitten eines stillen Feiertages zuwenden zu können. Die dem November innewohnende Melancholie tut oftmals das ihrige dazu, um die Seele einzustimmen auf diesem Weg.

Das es schon Leute gegeben haben soll, die die katholische Kirche für ihre Lustigkeit gelobt haben, sich wegen der Heiligen-Inflation gleich einen Feiertag für alle auszudenken? Nun ja, darüber lässt sich vielleicht schmunzeln. Aber ein Tag auf der Couch? Nein, das ist Allerheiligen keineswegs für Jeden. Macht man einen Spaziergang über den Gottesacker, so brennen sie noch allerorten: Die Lichter auf den zuweilen schon winterlich hergerichteten Gräbern.

 Die Gräber sind für die Feiertage geschmückt. dazu gehören Grablicht und Blumen.

Die Gräber sind für die Feiertage geschmückt. dazu gehören Grablicht und Blumen.

Foto: Mikko Schümmelfeder/MIKKOO
 Eine Kindfigur erinnert an das Schicksal eines Kindes.

Eine Kindfigur erinnert an das Schicksal eines Kindes.

Foto: Mikko Schümmelfeder/MIKKOO

„Der Friedhof ist voll an diesem Tag“, weiß auch Gärtnermeister Ingo Speck. Auf den Grabstellen, für die er die Dauerpflege übernommen hat, stellt er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Kerzen auf. Auf den anderen Gräbern tun das die Angehörigen und vielleicht, so ganz nebenbei, kommt man darüber ins Gespräch. Mittendrin die Toten, über die man miteinander plaudert, um sich dann wieder dem Leben zuzuwenden....

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort