Blick in die Meerer Akten Das Rätsel um drei Meerhöfe in Strümp

Wer von Ilverich nach Strümp fährt, kommt an drei Meerhöfen vorbei. Der Name verweist schon auf eine Beziehung zum Kloster Meer, aber warum gibt es drei Meerhöfe? Auskunft geben Meerer Akten, die bis ins Mittelalter reichen.

 Der dritte Meerhof wurde 1856 ist Stein gewordenes Symbol einer rheinischen Bauerfamilie, die es in der Säkularisatuion auf weit über 500 Morgen Land gebracht hat.

Der dritte Meerhof wurde 1856 ist Stein gewordenes Symbol einer rheinischen Bauerfamilie, die es in der Säkularisatuion auf weit über 500 Morgen Land gebracht hat.

Foto: RP/Mike Kunze

Zunächst einmal hat es ursprünglich nur einen Hof gegeben. Der eigentliche Meerhof war wohl zunächst ein Lehen des Kölner Stiftes St. Gereon. Etwa ein Fünftel seines Landes rührte aber wohl auch vom Stift Kaiserswerth her. Deshalb musste Meer als Lehnsmann an beide Institutionen einen jährlichen Zins leisten. Hinzu kommt, dass Meerer Klosterfrauen oder auch Laienbrüder „die Hand empfingen“. Das bedeutet, dass sie auf Lebenszeit anstelle des Stiftes Meer die Besitzrechte übernahmen. Denn mit dem Tod eines Behandigten wurde eine weitere Abgabe, die Kurmut fällig.

Darauf wollten die Lehnsherren natürlich nicht verzichten, nur weil ihr Partner ein anderes geistliches Institut war, das ja nicht sterben konnte. Natürlich bewirtschafteten auch weder das Kloster Meer, noch die Stiftsfräulein selbst den Meerhof. Der Meerer Prior als Verwaltungschef gab den Hof an einen Pächter – zunächst ebenfalls lebenslang in Erbpacht, später auf eine bestimmte Anzahl von Jahren.

Faszinierend ist dabei, dass die ursprünglichen Eigentümer immer weniger über ihren Hof verfügen konnten und die auf alle Ewigkeit fixierten Abgaben im Laufe der Jahrhunderte durch inflationäre Tendenzen fast bis zur Wertlosigkeit zusammenschmolzen. Meer selbst traf dieses Schicksal nicht, weil Pachtleistungen notfalls angepasst werden konnten.

Dass der Meerhof im Strümper Ortsgefüge eine herausragende Rolle spielte, wird daran deutlich, dass allein dieser Hof ein Drittel aller öffentlichen Lasten – wir würden heute Steuern und Abgaben sagen – sowie der Dienste zu schultern hatte. Außerdem wurden auf dem Meerhof lange die Brandeisen für die Schweine, die zur Mast in den Strümper Busch getrieben werden durften, aufbewahrt, bevor Kloster Meer diese an sich zog.

Diese Lasten waren besonders in den kriegerischen Zeiten des 17. Jahrhunderts so groß, dass die Meerer Pächter mehrfach ruiniert wurden. Gegen Ende des Jahrhunderts zog die gleich zweifach verwitwete und wohl auch kinderlose Pächterin Margarethe Korfmacher schließlich frustriert vom Hof, den das Kloster anschließend mehrere Jahre selbst bewirtschaftete, um die bisherigen Verluste auszugleichen.

Auch ein neuer Pächter erlitt nach wenigen Jahren Schiffbruch. In dieser Situation teilte das Kloster den Meerhof 1703 in zwei gleiche Hälften, ließ zusätzliche Gebäude errichten und verpachtete nun die beiden Meerhöfe an zwei neue Pächterfamilien, die sich nun auch die Dienste und das Risiko teilten. Das schien wirtschaftlich besser zu sein, wobei die Pächter immer noch zur Führungsschicht des Dorfes Strümp gehörten. Bekannt wurde vor allem Derich (Theodor) Ilbertz, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als Deputierter und Armenprovisor unter dem legendären Pastor Wilhelm Jacobs wirkte. Die Teilung ist auch der Grund, warum die beiden älteren Meerhöfe bis heute baulich so ineinender verschachtelt wirken.

Auf der anderen Hofhälfte entwickelten sich die Dinge im gleichen Jahrhundert dramatischer. Was nach außen wie ein einfacher Pächterwechsel wirkt, ist Ergebnis tragischer Ereignisse: Am 2. und am 10. Januar sterben Pächter Peter Schmitter und sein Sohn Johann Winand. Mutter Sophia Hausmann bleibt mit vier kleinen Kindern zurück und hat nach altem Brauch binnen Jahr und Tag einen neuen Mann auf dem Hof zu präsentieren. Kaum drei Monate später heiratet die junge Witwe daher Heinrich Weggen aus Oppum. Dieses Paar bekommt zwei weitere Kinder, bevor 1725 auch die Mutter stirbt. In dieser Situation heiratet Weggen Margarethe Hocks aus Büderich. Nur sechs Wochen später haben die Kinder also eine neue Mutter. Zwei weitere gemeinsame Kinder sterben allerdings früh, 1743 auch der Ehemann. Nun steht Margarethe Hocks als Mutter von mehreren Kindern, die aber alle nicht ihre eigenen sind, alleine da. In dieser Situation heiratet sie Heinrich Ilbertz, dessen Erben schließlich auf dem Hof bleiben.

Während der französischen Säkularisation wurden die beiden Meerhöfe enteignet und am selben Tag, dem 31. Juli 1804, an den Spekulanten Franz Theodor Roethgen und Wilhelm Heinrich Cames für jeweils 22.100 Francs verkauft. Im Nachhinein gelang es auch der Pächterfamilie durch Witwe Sybilla Ilbertz, ihren Hof zu erwerben. Cames, der erst wenige Jahre zuvor auf den Hof eingeheiratet hatte, ersteigerte neben dem Meerhof noch weitere säkularisierte Güter. Sohn Carl Cames errichtete 1856 den neuen, also dritten Meerhof als herrschaftliche Residenz. Auf ihm wirtschaften noch heute seine Nachfahren.

Information Die komplette Geschichte der Strümper Meerhöfe wird in den nächsten Meerbuscher Geschichtsheften veröffentlicht. Der Autor ist Vorsitzender des Geschichtsvereins Meerbusch, Historiker und Geschichtslehrer – und forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Rheinischen Landesgeschichte.

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