Meerbusch "Verladen wie Stückgut"

Meerbusch · In einem ergreifenden Vortrag hat der Historiker Lothar Klouten das Schicksal der Osterather Juden nachgezeichnet, die vor 70 Jahren verschleppt wurden. Auch Zeitzeugen meldeten sich zu Wort.

 Bilddokumente der Verschleppungen während der NS-Zeit sind selten. Dieses

Bilddokumente der Verschleppungen während der NS-Zeit sind selten. Dieses

Foto: Stadtarchiv Remscheid/Foto "Mitmachen": Veranstalter

Von Ausgrenzung, über Berufsverbot bis zur Deportation — das Schicksal der Juden ab 1933 auf dem Gebiet der späteren Stadt Meerbusch ist grausam und verstörend. Man kennt die Zahlen der ermordeten Juden während des Zweiten Weltkriegs, man kennt Erzählungen aus Konzentrationslagern, Geschichten aus Ghettos, Zeitzeugenberichte, Fotos. Aber nichts berührt so sehr, wie die Berichte über Schicksale, die "vor der Haustür" passiert sind.

Penibel nachgezeichnet hat der Historiker Lothar Klouten das Leben der Osterather Juden, fest integriert in der Dorfgemeinschaft bis April 1933, als die "Osterather Zeitung" zum Boykott gegen Juden aufrief.

Klouten ist der Einladung des Vereins Pro Osterath gefolgt, denn 70 Jahre ist es her, dass die Deportationen nach Osten begannen. Am 9. Dezember 1941 wurden jüdische Bürger in Osterath und Lank-Latum morgens im Halbdunkel abgeholt, zum Schlachthof nach Düsseldorf-Derendorf gebracht und dort zwei Tage später in einen Güterzug nach Riga verladen.

Am 25. Juni 1942 wurden acht Meerbuscher Juden nach Theresienstadt verschleppt, von diesen überlebte nur das Ehepaar Sabine und Julius Gutmann. Ein Zeitzeuge aus dem Publikum, 1942 sechs Jahre alt, hat den Abtransport der Familie Gutmann von der Kaarster Straße 4 beobachtet.

"Herr Gutmann hatte nur ein Nachthemd an, und da stand ein Lkw mit der Aufschrift Sauerkraut Dickmann", erinnert er sich. "Verladen wurden die Leute wie Stückgut. Als wir dann morgens zur Schule gingen, lag alles auf der Straße bei den Gutmanns." — "In der Provinz war der Terror viel stärker als in den Großstädten", weiß Klouten. Die Osterather Ärzte Goldberg und Langenbach erhielten ab 1935 Berufsverbot, der Sohn von Dr. Goldberg durfte die Volksschule nicht mehr besuchen.

In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1938 fanden in Osterath Pogrome statt. Alle jüdischen Familien wurden überfallen, die Wohnungseinrichtungen zerstört. Ab 1939 mussten jüdische Geschäfte und Handwerksbetriebe schließen.

In Osterath waren davon Metzger Gutmann, Vertreter Abrahams und der Gärtner Kiefer betroffen. Den Juden wurde jegliche Existenzgrundlage genommen, ihr Besitz, ihre Möbel und Wertgegenstände versteigert. "Auch Osterather haben Sachen von Juden ,für 'n Appel und 'n Ei' erworben", berichtet Klouten.

Ein Schiefbahner Zeitzeuge erinnert sich: "Das Mobiliar von Juden wurde damals in der Schiefbahner Turnhalle versteigert, meine Eltern haben da auch gekauft."

(RP)
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