Richrath Boykott bedroht Bauern

Düsseldorf · Die traditionsreiche Landwirte-Dynastie Weeger ist ebenso wie der Verlacher Reiterhof ins Visier einiger CO-Pipeline-Gegner geraten. Der Grund: eine vermeintlich profitable Einigung mit dem Bayer-Konzern.

"Mama, muss ich jetzt beim Erdbeerpflücken Gasmaske tragen?" — Wenn Christina Weeger an diesen Spruch der CO-Pipeline-Gegner denkt, läuft es ihr kalt den Rücken runter. "Solche Sätze, das Gerede von der Todeszone und die absurde Behauptung, wir hätten unseren Hof mit Geld vom Bayer-Konzern saniert, gefährden unsere Existenz", sagt die Richrather Landwirtin. Der traditionsreiche Hof, der unter anderem auf die Direktvermarktung von Erdbeeren spezialisiert ist, ernährt zurzeit neun Menschen: Weegers Mann Markus, die drei gemeinsamen Kinder, die beiden im Ruhestand befindlichen Eltern sowie zwei Festangestellte. Hinzu kommen jede Menge Erntehelfer und Saisonarbeiter.

Erfolgreicher Widerstand

Doch im Jahr 1 nach dem massiven und vorerst erfolgreichen Widerstand gegen die Giftgas-Röhre könnte sich das ändern. "Wir verzeichnen — je nach Bereich — Umsatzrückgänge von 30 bis 50 Prozent. Das sind bedrohliche Dimensionen", sagt Weeger und ist fest davon überzeugt, dass größtenteils der durch "Gerede und ungedeckte Gerüchte" herbeigeführte Imageschaden an dieser Entwicklung schuld ist. Dabei, so Weeger, habe ihre Familie den allergrößten Teil des für den Pipeline-Bau genutzten Ackerlandes bloß gepachtet. "Eigentümer sind ein Langenfelder Alt-Bauer und eine Düsseldorfer Erbengemeinschaft." Zudem sei die Entschädigung für den einzigen Acker in Eigenbesitz so gering gewesen, "dass sie nicht einmal reicht, um die in Folge der Bauarbeiten eingetretenen Feuchtigkeitsschäden — darunter Pilze in einem immer noch zu feuchten Erdreich — zu beseitigen."

Dass einige Pipeline-Gegner in den vergangenen Monaten nicht eben zimperlich waren, weiß auch Renate Terstesse-Budinsky vom nahe gelegenen Verlacher Hof. Genau im Städte-Dreieck Langenfeld/Hilden/Solingen gelegen, stammen viele Kunden des Reitstalls aus Richrath und aus der Erika-Siedlung, in der besonders viele Leitungsgegner wohnen. "Verräter hat man uns hinterhergeschrien. Ein Ehepaar hat sogar seine Pferdebox gekündigt und den Stall verlassen", berichtet die Hofbesitzerin. Für Terstesse-Budinsky ist klar: "Die Folgen von Kyrill wurden lautstark beseitigt. Und dann noch die Pipeline obendrauf. Das war für manche das Ende einer bis dahin heilen Naturidylle am Rande der Heide."

Besonders hart getroffen hat die Familie der Vorwurf, ihre neue Reithalle sei mit Hilfe der "Bayer-Kohle" hochgezogen worden. "Die Pipeline-Felder gehören der Stadt Solingen und nicht uns. Von einer nennenswerten Entschädigung kann also keine Rede sein." Für die Motive der Gegner haben beide ins Pipeline-Sperrfeuer geratene Familien viel Verständnis. Terstesse-Budinsky: "Unser Wohnhaus liegt nur 28 Meter von der CO-Röhre entfernt. Natürlich ist mir da mulmig." Nach dem vorläufigen Inbetriebnahme-Verbot hoffen die beiden Heide-Anrainer für 2008 auf eine deutliche Entspannung. Christina Weeger: "Wir halten durch und werden auch weiterhin unser Erdbeer- und Kartoffelfest veranstalten." KOMMENTAR

Mehr zum Thema CO-Pipeline unter: www.rp-online.de/langenfeld

(RP)
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