Krefeld Wochenkommentar: Das ungeliebte Museum

Krefeld · Die Debatte um einen Museumsneubau am Theaterplatz zeigt auch: Das Kaiser-Wilhelm-Museum wird nicht geliebt, ist kein Anker für Bürgerstolz. Liegt es an Beuys? Ein Wochenkommentar von Jens Voss.

Altkanzler Helmut Schmidt hat bekanntlich gesagt, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. In Krefeld wird zur Zeit eine Vision diskutiert, und sie hat wie die meisten Visionen etwas Mitreißendes. Bevor wir also unseren Arzt oder Apotheker nach Risiken und Nebenwirkungen fragen, geben wir uns kurz der Vision hin — will sagen: Krefeld auf dem Theaterplatz bekommt ein neues Museum.

Was würde passieren? Architektur, so ist im Café Bogie an der Wand zu lesen, ist gefrorene Musik — und darüber würde Krefeld streiten. Ein Architektenwettbewerb würde ausgeschrieben; die Entwürfe würden leidenschaftlich diskutiert; es ginge um Funktionalität und Ästhetik, um den Lebensraum Stadt, um das Verhältnis von Kunst und Öffentlichkeit. Der Entwurf, der dann gebaut würde, würde den Theaterplatz vom hässlichen Durchgangsraum zum wirklichen Platz machen; er wäre geheilt und befriedet von dem neuen Bau; umrahmt von Theater, Mediothek, mit Cafes, ein paar kleinen Geschäften vielleicht, natürlich mit Museumsshop. Es könnte dort richtig schön sein.

Der städtebauliche Impuls, der davon ausginge, würde ausstrahlen; die umliegenden Bezirke gewönnen an Attraktivität, weil dort plötzlich kunstsinniges, bürgerliches Publikum zuhauf herumstreunte; für Investoren wäre es interessant, in Nachbarschaft zu diesem Ensemble zu planen. Das ist eine Vision, um die es zu streiten lohnt.

Bislang gibt es dagegen vor allem Argumente ex negativo: Es ist nicht bezahlbar; das Kaiser-Wilhelm-Museum wäre nicht weiter verwendbar; die Idee kommt nicht zur rechten Zeit, nämlich viel zu spät. Diese Argumente sind in Wahrheit Feigheit vor dem Feind. Wenn das einzige, was für das Kaiser-Wilhelm-Museum spricht, das ist, was nicht geht, dann steht es schlecht um dieses Haus.

Das ist überhaupt ein Eindruck, der sich aufdrängt: Gibt es eigentlich jemanden, der dieses Haus liebt? Unsere Politiker jedenfalls ganz offensichtlich nicht. Wer erst nur vier Millionen zur Sanierung lockermachen will, dann 13,5 Millionen, aber wohlwissend, dass 14,8 Millionen optimal wären — der liebt nicht, der zählt Geld. Bevor man nun auf vermeintliche Krämerseelen schimpft, sei gefragt: Woher kommt das? Es gibt andere Städte, in den ein Museum samt Museumsfreundeverein und Museumsleiter Bürgerstolz einer Stadt repräsentieren. Man gehe mal nach Kleve und sage dort öffentlich ein schlechtes Wort über das Museum Kurhaus. Wir wünschen viel Vergnügen.

In Krefeld ist eine solche Identifikation mit dem Kaiser-Wilhelm-Museum kaum spürbar. Da ist der Schock dieser Debatte: dass die Suche nach Argumenten für das KWM so schwerfällig anläuft. Vielleicht liegt es ja an Beuys, dessen Name dem KWM angeblich fachlich Glanz und Größe und Bedeutung spendet. KWM-Leiter Martin Hentschel hat es als verpasste Chance bezeichnet, dass vor zwei Jahren nicht zwei Beuys-Werke für vier Millionen Euro gekauft wurden, um die Lauff-Schenkung zu vervollständigen. Also Beuys? Beuys mag die Fachwelt und einige Beuys-Jünger, die auch die letzte 1000-Seiten-Beuys-Symposium-Dokumentation verzückt lesen, begeistern, aber schafft er heute Identifikation mit einem Museum?

Vielleicht ist das ja ein Mindest-Ertrag dieser Neubau-Debatte: Dass man gezwungen wird zu sagen, was das KWM für Krefeld bedeutet; warum man es lieben sollte, warum es kein Elfenbeinturm für Eingeweihte ist. Sich mit Beuys wichtig zu fühlen ist zu wenig; es rächt sich, wenn man solche Fragen vernachlässigt. Ratspolitiker sammeln — und das kann man ihnen nicht vorwerfen — Mehrheiten, und auch ein Museum muss mehrheitsfähig sein. Sonst zünden irgendwann Ideen für einen Neubau.

(RP)
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