Oper in Krefeld Boris Godunow kommt als Ur-Fassung

Krefeld · Es gibt eine Ur-Fassung, und eine Originalfassung – und das ist nicht die einzige Besonderheit von Modest Mussorgskijs Oper um die Thronnachfolge Ivans „des Schrecklichen“: Es sind überwiegend tiefe Männerstimmen zu hören. Am Sonntag, 27. Oktober, ist Premiere.

 Großaufgebot in der Oper. In „Boris Godunow“ gibt es zahlreiche Massenszenen. Der Chor wurde dafür auf 70 Sänger aufgestockt.

Großaufgebot in der Oper. In „Boris Godunow“ gibt es zahlreiche Massenszenen. Der Chor wurde dafür auf 70 Sänger aufgestockt.

Foto: Matthias Stutte

Es wird dunkel und düster. Die Liebesgeschichte fällt weg. Die Szenen um Marina hat Modest Mussorgskij 1872 ohnehin nur als Zugeständnis hinzugefügt. Denn seine 1868/69 entstandene Oper „Boris Godunow“ hatte keine große Frauenrolle. Ungeschönt, direkt und düster wollte er sein musikalisches Drama um die Thronnachfolge Ivans („Der Schreckliche“) auf die Bühne bringen. Das lehnte das Publikum ab: keine Romantik, dafür jede Menge Massenszenen – das wollte niemand sehen. Deshalb setzte sich die später entstandene Variante als sogenannte Originalfassung durch und ist bis heute die häufiger gespielte. Dennoch entschied sich das Theater Krefeld/Mönchengladbach für die „Ur-Fassung“: Am Sonntag, 27. Oktober, ist Premiere.

Der russische Bass Mischa Schelomianski wird die Titelpartie singen. Er kommt als Gast ans Theater. Studiert hat er Chorleitung, Dirigieren und Gesang in Moskau und Frankfurt. Er gewann beim Wettbewerb der European Union Opera und debütierte in Baden Baden als Gremin mit Gennadij Roshdestvensky und Nikolaus Lehnhoff. Inzwischen hat er auf vielen großen Bühnen gestanden und mit namhaften Musikern gearbeitet, unter anderem mit Zubin Mehta, Andrew Davis und Kent Nagano.

Seine Stimmfarbe passt bestens zu „Boris Godunow“, findet Regisseurin Agnessa Nefjodow. Und dass er als Muttersprachler den russischen Text besonders markant in Szene setzt, sei ebenfalls von Vorteil, sagt sie. Denn sie hat sich für die „dunkle Fassung“ entschieden – gerade wegen deren Schroffheit und Direktheit. „Wir haben das Stück auf die Psychologie des Volkes und des Herrschers heruntergerissen“, sagt Agnessa Nefjodow.

Und da sieht es düster aus. Es geht um Blut und Macht. Boris Godunow kommt nach dem Tod des Zaren Feodor, dem Sohn von Ivan, auf den Thron. Das Volk lehnt ihn ab. Boris verspricht, Gutes zu tun. Doch die Armut und den Hunger der Russen kann er nicht beenden. Er scheitert und leidet unter seinen Schuldgefühlen. Ein Gerücht, dass er den neunjährigen Dimitri, den legitimen Thronerben, ermordet habe, setzt ihm zu. Als ein erwachsener Dimitri droht,  Anspruch auf die Zarenkrone zu erheben, ist Boris endgültig dem Wahnsinn verfallen.

Die Geschichte ist sehr russisch, die Musik „kein geschmeidiger Verdi“, wie Musikdramaturgin Ulrike Aistleitner betont Es gibt kaum helle Frauenstimmen. Und auch bei den Männern dominiert die Tiefe. „Es gibt sonst wenige große Titelrollen für einen Bass. Die tiefen Männerstimmen dominieren hier, die Tenöre assistieren nur“, sagt Generalmusikdirektor Mihkel Kütson. „Die Struktur der Musik ist klar und erzählt die Handlung mit: In den Massenszenen gibt es üppige Klänge mit viel Schlagwerk, Klavier und Glocken auf der Bühne. Eine Menge Tamtam, und es wird sehr laut. Aber in der Szene in der Mönchszelle, wo Boris die Geschichte seines Volkes aufschreibt, klingen nur Bratschen, die den Lauf der Feder mit einer Sechzehntelkette nachzeichnen. Mussorgkskij kann Stimmungen gut herstellen. Es gibt Anklänge an Gesänge der orthodoxen Kirche, die aus der Ferne kommen, und auch folkloristische Anklänge. “

Die Massenszenen sind in der Tat ein Großaufgebot. Der Theaterchor ist mit dem Extrachor und zusätzlichen Männerstimmen auf 70 Leute verstärkt worden

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