Landwirtschaft in NRW Reeser Bauer sucht Urlaubsvertretung

Rees · Der Rheinische Landwirtschafts-Verband und die Landwirtschaftskammer NRW starten ein Pilotprojekt. Personaldienstleister vermitteln qualifizierte Arbeitskräfte für Urlaubs- oder Wochenendvertretungen auf Bauernhöfen.

 Robert Baumann aus Rees gönnt sich im Jahr maximal 15 Urlaubstage. In dieser Zeit kümmert sich ein Helfer um seinen Hof.

Robert Baumann aus Rees gönnt sich im Jahr maximal 15 Urlaubstage. In dieser Zeit kümmert sich ein Helfer um seinen Hof.

Foto: van Offern, Markus

Robert Baumann kann sich kaum noch an seinen letzten Urlaub erinnern. Stallarbeiten, Ackerbau betreiben, Kühe füttern und melken. Sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Der Sonnenhof Baumann in Rees-Mehr bestimmt sein Leben — Vieh und Land kennen keine Pausen. "Meine Urlaubstage halten sich stark in Grenzen. Von heute auf morgen ist das gar nicht möglich", sagt der 40-Jährige.

Aus diesem Grund haben der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) und die Landwirtschaftskammer NRW nun ein Pilotprojekt gestartet: Personaldienstleister stellen qualifizierte Aushilfen für Urlaubs- oder Wochenendvertretung zur Verfügung. Das Prinzip: Ein überlasteter Landwirt ruft eine zentrale Vermittlungsstelle an und fordert eine Aushilfe für einen Zeitraum an. Am anderen Ende der Leitung sitzt Heinz Scheffers. "Ich setze mich dann mit den Personaldienstleistern in Verbindung", erklärt der Einsatzleiter von der Kreisbauernschaft Geldern.

Bauern in Deutschland arbeiten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 1713 Stunden im Jahr und sind damit die Berufsgruppe mit dem höchsten Arbeitszeitaufkommen. "Die Arbeitszeiten werden immer länger", sagt Hildegard Freisberg, Leiterin des Pilotprojekts. "Wir haben uns mit Beratern zusammengesetzt und packen das Thema jetzt an." Das Projekt findet aber nicht nur Befürworter. Karl-Josef Heimes, Landwirt aus Kerken, erklärt: "Die kleinen Betriebe sterben aus. Die großen Betriebe sind gut strukturiert. Ich sehe den Bedarf nicht mehr. Solch ein Projekt hätte es vor zehn, 15 Jahren geben müssen. Das wäre super gewesen."

Robert Baumann kann die Kritik nicht nachvollziehen. Seit er den Sonnenhof von seinem im vergangenen Jahr gestorbenen Vater übernommen hat, ist an Urlaub ohne personelle Unterstützung nicht zu denken. Nur mit Hilfe seiner Frau und einem Auszubildenden ist die Arbeit selbst im Alltag nicht zu schaffen. "Wir brauchen dauerhaft eine Aushilfe. Besonders wenn die Feldarbeit-Saison richtig losgeht", sagt Baumann. In Lars Kock hat er einen qualifizierten Helfer gefunden. Das Besondere: Kock hat auf dem Sonnenhof einen Teil seiner Ausbildung gemacht, kennt sich bestens aus. "Ich brauche vor allem jemanden, der melken kann", sagt Baumann. "So einer ist gar nicht so leicht zu finden."

Lars Kock, der zwei Tage in der Woche hilft, ist Teil des Pilotprojekts. Der 28-Jährige hat sich 2013 selbstständig gemacht und bietet landwirtschaftliche Dienstleistungen an. Doch sein Geschäft läuft schleppend. Mehr als zwei Stammkunden hat er bislang nicht. "Das größte Problem ist das Vertrauen", sagt Kock, der dafür aber Verständnis hat: "Für die Bauern ist der Hof das Ein und Alles. Wenn da jemand Mist baut, geht das für sie richtig ins Geld."

Robert Baumann hat zu Kock großes Vertrauen. Der Emmericher rettet auch seine Urlaubsplanung, die seit Jahren prinzipiell drei Abschnitte umfasst: eine Tour mit den Kegelfreunden, acht Tage mit der Familie und drei Tage nur mit der Ehefrau. In diesen Zeiträumen — gerade einmal zwölf bis 15 Tage im Jahr — will er abschalten. "Ich sage, bevor ich weg fahre: ,Wenn alles läuft, ruf nicht an'", erläutert Baumann. "Das ist natürlich Vertrauenssache. Aber man darf nicht stöhnen, dass man zu viel Arbeit hat und nicht weg kommt — und dann gibt es die Möglichkeit durch so ein Projekt, und man probiert es erst gar nicht aus." Laut Kock sei neben dem elementarem Vertrauen die Mund-zu-Mund-Propaganda extrem wichtig: "Selbst wenn ich 100 000 Euro in Werbung stecke — wenn ich schlecht arbeite, spricht sich das sehr schnell rum."

Ein Hindernis des Projekts könnten die Kosten darstellen. "Dass Bauern generell zu geizig sind, würde ich nicht sagen. Aber das Geld sitzt nicht so locker", erklärt Baumann. Die Kosten für die Aushilfen hängen dabei von der Qualifikation ab. Das Personal des Projekts wird in drei Stufen kategorisiert: Ungelernte Kräfte, die nur im Beisein des Landwirtes arbeiten können; Gesellen, die selbstständig arbeiten können; erfahrener Landwirt, der auch die Buchführung übernehmen kann. Die Stundenlöhne sind von 16 Euro bis 25 Euro aufwärts festgelegt. Den Vertrag schließt der Landwirt direkt mit dem Personaldienstleister. "Ein kleiner Betrag für die Bemühungen geht auch an uns", sagt Vermittler Scheffers. "Jeder muss für sich entscheiden, ob es ihm das Geld Wert ist, um mal auszuspannen."

(erer)
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