Hochschule Rhein-Waal Handbuch für eine Zukunft der Dörfer

Niederrhein · Die Hochschule Rhein-Waal will mit dem deutsch-niederländischen Kooperationsprojekt „Starke Dörfer“

Das Modell für ein Pilotdorf sieht aus wie ein Getriebe, dessen Räderwerk gut ineinanander greift, dessen Zahnräder sich gegenseitig unterstützend antreiben und die Ortschaft nach vorne bringen. Die Räder stehen für das, was das Dorf ausmacht, was es lebenswert macht - oder eben nicht. Die verschiedenen Größen der Kreise stellen die Bedeutung dar, die die jeweiligen „Gemeinschaftskapitale“ in den untersuchten Dörfern haben. Da gibt es eine Feder für die Landschaft, Flora und Fauna, ein kleines Tempelchen für die Gebäude und die Infrastruktur, eine Geldkiste für die finanziellen Mittel, die verfügbar sind, um die Dorfgemeinschaft stärken. Ein nicht zu unterschätzender Kreis ist schließlich das soziale Gefüge innerhalb eines Dorfes: Schön dargestellt durch Menschen, die sich gegenseitig helfen. Es ist das Netzwerk, das für viele Menschen dörfliches Leben ausmacht, wo man sich gegenseitig kennt und hilft.

Bei einem der Pilotdörfer, das die Hochschule untersuchte, klappt es mit diesem Räderwerk schon ganz gut. Nur die schöne dörfliche Umgebung steht in dieser Grafik außen vor: Man muss sie künftig besser einbinden. Zwar sehen die Menschen im Dorf, dass sie schön ist. Aber man weiß nicht - vielleicht auch mangels Hinweisschilder auf Joggingstrecken oder Kinderspielmöglichkeiten - wie man sie nutzen soll. Kurz: Die schöne Umgebung, die Landschaft ist nicht in das Dorfleben eingebunden, auch wenn alle die Schönheit der Umgebung loben.

„Wir wollen eine Art Handbuch schaffen, das man Dorfgemeinschaften geben kann, um den Ort zukunftssicher zu machen“, sagt Prof. Klaus Hegemann. Zusammen mit Barbara Arntz, Projektkoordinatorin des Interreg-Projektes „Krachtige Kerne/Starke Dörfer“ und Felix Sohnrey, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Interreg-Projekt, hat er jetzt einen Zwischenstand und einen Ausblick über das von der Euregio geförderte Projekt vorgelegt. An dessen Ende als teil des gewünschten „Handbuches“ steht die Grafik mit dem Räderwerk. Später sollen Dorfgemeinschaften selber die Punkte in dem Handbuch auch umsetzen könnten. „Das Projekt möchte nachhaltig das Selbstmanagement von niederländischen und deutschen Dörfern stärken, die Lebensqualität der Einwohner nachhaltig positiv beeinflussen“, erklärt der Professor.

Im Interreg-Projekt sind die Bürger eingebunden - zusammen mit den beteiligten Hochschulen wurden Konzepte entwickelt und umgesetzt. Jenseits und diesseits der Grenze, flexibel genug, um auf die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme und Gesetzgebungen zu reagieren. Das führe zwar manchmal zu unterschiedlichen Lösungen, doch man lerne voneinander, sagt Hegemann. So war bei einem Treffen in America, einem niederländischen Dorf an der Maas, für die deutschen Dorfvertreter beispielsweise spannend, dass ein „Laefhoes“ gebaut wurde, in dem eine Apotheke und vor allem multifunktionale Räume eingerichtet sind, in denen über die Woche verteilt verschiedene Mediziner und Physiotherapeuten Sprechstunde halten.

Diese Treffen sind wichtiger Bestandteil des Projekts, der Austausch vergegenwärtigt auch die eigene Situation und zeigt auf, woran man arbeiten muss: In Kapellen beklagten die Menschen, dass die Nahversorgung schlecht ist und verbessert werden müsse, in Louisendorf fährt der Bus nur sporadisch. Positiv wurde hier die Ortsmitte mit der Kirche und dem großen Anger darum wahrgenommen. Werden solche Punkte definiert, kann man sie abstellen: In Grieth beispielsweise gründete sich eine Genossenschaft „Hanselädchen“, um einen Treffpunkt zu haben und eine bessere Nahversorgung.

Wichtig sei auch, will man die ersten Erkenntnisse umsetzen und nachhaltige Prozesse in Gang bringen, dass die Lasten der Koordination und Kooperation auf viele verschiedene Schultern verteilt werden, sagt Hegemann. In einem der Pilotdörfer gibt es beispielsweise nur eine kleine Gruppe gut vernetzter ehrenamtliche engagierter Bürger, die sich für ihr Dorf einsetzen. „Dies bedingt eine Verbesserung der Kommunikation“, sagt der Professor. Daran arbeiten die Dorfbewohner jetzt - ein erster und wichtiger Schritt, um die soziale Zukunftsfähigkeit zu sichern. Das „Handbuch“, dessen erster Entwurf jetzt vorliegt, scheint also zu greifen. Angesichts der momentanen Landflucht wird es vielleicht ein probates Mittel, Dörfer vor dem Aussterben zu retten.

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