Stadt Kempen Mit Siebzig noch als Landärztin aktiv

Stadt Kempen · Bogumila Gilewski arbeitet seit mehr als 20 Jahren als niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Tönisberg. Sie ist kürzlich 70 Jahre alt geworden. Ans Aufhören denkt sie nicht. Eine Nachfolge im Bergdorf wäre auch nicht so einfach.

 Bogumila Gilewski in ihrem Sprechzimmer ihrer Praxis am Pottbäckerweg in Tönisberg.

Bogumila Gilewski in ihrem Sprechzimmer ihrer Praxis am Pottbäckerweg in Tönisberg.

Foto: Thelen

"Landärztin zu werden ist das Tollste, was einem passieren kann", resümiert Bogumila Gilewski freudenstrahlend über die vergangenen 21 Jahre ihrer Selbstständigkeit als Allgemeinmedizinerin in Tönisberg. Seit 1996 betreibt sie ihre Praxis im ländlichen Bergdorf, vor knapp zwei Jahren bezog sie mit ihrem Team neue Räume am Pottbäckerweg. "Meine Patienten sind für mich wie eine Familie. Ich kenne sie alle, ich weiß, wo sie wohnen, viele begleite ich von Kindheit an." Genau so ehrlich wie die Patienten mit ihr umgehen, gehe sie auch mit ihnen um. "Alle wissen, wie es mir geht. Ich bin 70 und habe mich in den vergangenen Jahren mehreren Operationen unterziehen müssen. Aber ich bin gesundheitlich noch voll auf der Höhe und mit Spaß bei der Arbeit", sagt die Medizinerin, die vor Jahren mit ihrer Familie aus Oberschlesien nach Deutschland kam.

Trotzdem stellt die Ärztin fest, dass vieles mit dem Alter schwieriger wird. Zu gegebener Zeit möchte sie ihre Praxis in gute Hände weitergeben. "Ich trage hier Verantwortung, da kann ich nicht einfach wie anderswo die Türe abschließen und sagen, das Schicksal meiner Patienten ist mir egal. Das Dorf ist auf einen Allgemeinmediziner angewiesen", sagt sie. In der Vergangenheit habe sie an verschiedenen Stellen nach Nachfolgern gesucht. Bisher allerdings vergebens. Viele würden sich für eine Praxis ihrer Größenordnung interessieren. Hörten sie dann Tönisberg, wäre das Gespräch beendet. "Hier leben 3500 Menschen im Dorf. Über ein solches Einzugsgebiet würden sich viele Praxen freuen", so Bogumila Gilewski. Ihr Patientenstamm sei stabil, die Praxis laufe gut. Beste Voraussetzungen also, um die Praxis "an einen würdigen Nachfolger" zu übergeben. Früher oder später werde sie ein offizielles Nachbesetzungsverfahren über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein in Gang setzen. "Ich will aber noch gar nicht aufhören. Wenn ich irgendwann für mich entscheide, jetzt reicht es, werde ich diesen Schritt gehen", betont die 70-Jährige. Die KV Nordrhein hat für ihr Gebiet, zu dem auch der Kreis Viersen gehört, einen gesetzlich formulierten "Sicherstellungsauftrag". Dazu gehört eine genaue Bedarfsplanung für die einzelnen Kreise und kreisfreien Städte, welche die entscheidende Größe ist, wie viele Ärzte sich in einem Planungsgebiet niederlassen dürfen. Kempen und Grefrath bilden einen "Mittelbereich", für den die Anzahl an Hausärzten geplant wird. Der Kreis Viersen ist in sechs Mittelbereiche unterteilt. Für den Bezirk Kempen/Grefrath gilt rein rechnerisch eine Überversorgung mit niedergelassenen Ärzten. Das heißt: Es dürfen sich bei einem Versorgungsgrad von derzeit 116 Prozent keine Hausärzte mehr niederlassen, da ab 110 Prozent eine so genannte Sperrgrenze greift.

In allen anderen fünf Bereichen "sind Hausarztsitze in überschaubarer Zahl frei" heißt es bei der KV Nordrhein auf Nachfrage der Rheinischen Post. Anders als in vielen Städten und Landkreisen sei in Kempen "alles im grünen Bereich". Ein offizielles Nachbesetzungsverfahren wäre im Fall von Bogumila Gilewski unabdingbar. Da die Praxis im gesperrten Bereich liegt, muss hier der Zulassungsausschuss über eine Nachbesetzung entscheiden, bevor das Verfahren beginnt. Dann sucht die KV über verschiedene Wege nach einem Nachfolger.

Im Zuständigkeitsbereich der KV Nordrhein sind derzeit rund 300 Hausarzt-Sitze frei. "Zudem ist jeder dritte Hausarzt über 60 Jahre alt und wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich einen Praxisnachfolger suchen", erklärt KV-Pressesprecher Dr. Heiko Schmitz. Es wird also eine wichtige Aufgabe sein, ärztlichen Nachwuchs zu generieren - und dies ist aus Sicht des Ärzteverbandes eine Herkulesaufgabe. Denn die Nachbesetzung von Hausärzten im ländlichen Raum ist bekanntermaßen sehr schwierig. Die Kassenärztliche Vereinigung versuche aber, mit verschiedenen Möglichkeiten wie Praxisbörsen oder Stipendien junge Menschen für diese Gebiete zu gewinnen, so Schmitz.

(mt)
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