Kempen Eine Heimat für Gesellen

Kempen · 150 Jahre Kolpingfamilie in Kempen – das war der willkommene Anlass, die Geschichte des zweitältesten Vereins in Kempen in Buchform festzuhalten. Autorin Ina Germes-Dohmen hat gestern ein gelungenes Werk vorgestellt.

Ursprünglich hatte der Kolping-Vorsitzende Kurt Huintjes nur an einen Aufsatz über etwa zehn Seiten gedacht, als er die Kempener Historikerin Dr. Ina Germes-Dohmen ansprach, ob sie sich der Geschichte des Vereins annehmen könne. Grundlage sollte die Chronik sein, die der ehemalige Kolpingvorsitzende Rudi Körvers einmal zusammengestellt hatte.

Im Propsteiarchiv fanden sich weitere Unterlagen, „fast lückenlos über die 150 Jahre“, berichtete gestern Kurt Huintjes. Schnell war klar: „Da müssen wir mehr draus machen“. Es entstand das 184-seitige, bebilderte Buch „Gott segne das ehrbare Handwerk“. Germes-Dohmen ackerte zur Vorbereitung mehrere handgeschriebene Chroniken durch, fand Fotoalben mit Bildern von Karnevals- und Theaterveranstaltungen. 1859 wurde erstmals begonnen, die Geschichte der Kolpingfamilie, damals noch Katholischer Gesellenverein, aufzuschreiben. Aus der Erinnerung wurden die ersten drei Jahre zusammengetragen, danach die Chronik mehr oder weniger gewissenhaft fortgeführt.

Eine große Lücke klafft in den Aufzeichnungen zwischen 1936 und 1944. Füllten die Jahre früher oft Seiten, passt die Zeit des Nationalsozialismus auf eine Doppelseite, umfasst oft nur einen Satz. Bereits 1934 änderte der Verein landesweit aus politischen Gründen den Namen in Kolpingfamilie. Grund für Frau Germes-Dohmen sich in ihrem Buch für diese Zeit mit der Lage des Vereins während des Nationalsozialismus in Deutschland allgemein zu beschäftigen.

1856 gründeten 18 wandernde Gesellen, die vorübergehend in Kempen lebten, den Verein als Anlaufstätte für andere Gesellen. Ziel war, die oft ungebildeten Gesellen auszubilden. Nach 12- bis 14-stündigem Arbeitstag kamen sie im Vereinslokal zum Unterricht in den Grundfächern Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion zusammen. Am Sonntagabend folgten Vorträge über allerlei Wissensgebiete. Der Verein wollte den Gesellen aber auch die Möglichkeit geben, Gesellschaft zu finden, ohne dafür in den Wirtshäusern ihre sauer verdienten Groschen ausgeben zu müssen.

Das erste Gesellenhaus in der Heilig-Geist-Straße konnte dank großzügiger Unterstützung des Goldschmieds Franz-Xaver Hellner bereits 1866 erworben werden. 1907 wurde das noch vielen Kempenern bekannte zweite, später abgerissene Gesellenhaus am Hessenring gebaut. Auch die leidvolle Geschichte des Neubaus von 1981, die schließlich dazu führte, dass die Stadt das Kolpinghaus übernahm, bleibt im Buch nicht unerwähnt. Bis heute schmückt es die St. Josephs-Figur, die 1866 von Hellners Ehefrau gestiftet wurde und die bislang an jedem Vereinshaus angebracht war.

Das Buch ist keineswegs allein für die Kempener Kolpingfamilie interessant, betonte Ina Germes-Dohmen. Vielmehr steht die Kempener Geschichte stellvertretend für viele Kolpingfamilien am Niederrhein, ist ein Stück Stadt- und Regionalgeschichte, die bislang so noch nie erforscht wurde.

(RP)
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