Reittherapie in Wüste Wenn Mensch und Pferd im Einklang sind

Hückeswagen · Reittherapeutin Sabine Matthei hat sich auf Therapiestunden mit Kindern spezialisiert, die ein körperliches oder seelisches Handicap haben.

 Reittherapeutin Sabine Matthei, Lena auf Nils und Ann-Christin Czogalla (v.l.). Lenas Bruder Niklas führt das Pony.

Reittherapeutin Sabine Matthei, Lena auf Nils und Ann-Christin Czogalla (v.l.). Lenas Bruder Niklas führt das Pony.

Foto: Heike Karsten

Wenn Lena, die an angeborener Balkenagenesie leidet, auf dem Shetlandpony Nils ihre Runden durch die Reithalle oder in der Natur dreht, ist sie glücklich. Es sei denn, das Pferd bleibt stehen – dann signalisiert Lena, dass sie weiterreiten möchte. Seit zwei Jahren bietet Sabine Matthei auf ihrer Reitsportanlage in Wüste Therapiestunden für Kinder und Erwachsene an. Dabei lässt sie ihre Erfahrungen aus dem Rehasport – die Hückeswagenerin leitete das ehemalige Fitnessstudio Vitalis in Stahlschmidtsbrücke – und ihre Ausbildung zur Reittherapeutin einfließen. „Mit der Übernahme des Hofes habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt“, sagt die 50-Jährige.

Auf dem Hof herrscht eine spürbar entspannte Atmosphäre. Hier leben und arbeiten Menschen und Tiere in Harmonie und im Einklang mit der Natur. Daher wundert es nicht, dass auch Menschen, die unter Stress oder Burnout leiden, hier Entspannung finden. Dabei müssen sie gar nicht reiten. „Schon der Umgang mit dem Pferd ist eine gute Präventionsmaßnahme und Hilfe bei und gegen Depressionen“, versichert Sabine Matthei.

Viele Gründe sprechen dafür: Die Auszeit vom Alltag, der Kontakt zu den Pferden und die Bewegung an der frischen Luft helfen, zu entspannen. Es entstehen soziale Kontakte und emotionale Bindung zu den Tieren, was wiederum die Entwicklung der eigenen Stärken fördert. Die Reittherapie dient der Förderung von Motorik, Sprache, Konzentration, Wahrnehmung, Orientierung, Körperspannung, eigenen Fähigkeiten, Gleichgewichtssinn, Sozialverhalten und Umweltverständnis. „Kinder öffnen sich auf dem Pferd. Und die, die an ADHS leiden, können sich plötzlich konzentrieren“, hat die Reittherapeutin beobachtet.

Wenn sie von ihrem Beruf erzählt, ist die Begeisterung zu spüren. „Ich wollte immer schon gerne Menschen helfen und bin total begeistert, weil ich sehe, wie viel man bewegen kann“, fügt die Reitstall-Besitzerin hinzu.

Ebenso angetan von dem Angebot ist Lenas Mutter Ann-Christin Czogalla. „Lenas Spastik in den Armen und Beinen entspannt sich auf dem Pferd in wenigen Minuten. Die Ergotherapie braucht dafür eine halbe Stunde“, erzählt die Hückeswagenerin. Ganz behutsam wurde die Dreijährige vor einem Jahr an das Tier gewöhnt – zunächst mit Streicheln, später liegend auf dem Pferd. Mittlerweile möchte Lena beim Reiten sitzen und freut sich schon immer auf die wöchentlichen Reitstunden. „Es ist ihr Tag in der Woche, und es ist schön, dass wir Sabine gefunden haben“, sagt Ann-Christin Czogalla.

Erfolge in der Entwicklung seien deutlich zu sehen: Lena stützt sich kräftiger mit den Armen ab, fängt an, sich zu drehen und kann den Kopf besser halten. „Außerdem ist sie offener und ausgeglichener geworden“, freut sich ihre Mutter. Die Investition für die Reittherapie sei ihr die Sache allemal wert. „Es ist viel besser und sinnvoller, als Lena zu Weihnachten Spielzeug zu schenken, mit dem sie aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten nichts anfangen kann“, betont die Mutter.

Bei der Reittherapie unterstützt wird Sabine Matthei von Reit- und Sonderschulpädagogin Sarah Kruppert (36). Insgesamt stehen für die Therapiestunden sechs ausgebildete Pferde zur Verfügung. Neben dem Angebot für Menschen mit Handicap bietet Sabine Matthei auch Kurse für Hausfrauen, Senioren und Kleinkinder an (s. Info-Kasten).

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