Hilden Städte sollen Geld jetzt ausgeben

Düsseldorf · Interview Bundesfinanzminister und SPD-Bundestagskandidat Peer Steinbrück über seine menschlichen Bindungen an den Kreis Mettmann und die Stärke der heimischen Wirtschaft. Er fordert den Mittelstand auf, finanzielle Hilfen des Bundes in Anspruch zu nehmen.

"Der Minister pöbelt mit Kalkül" - Presse zu Steinbrück
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Foto: ddp

Wie oft waren Sie seit Bekanntgabe Ihrer Kandidatur im September 2007 in den Städten Ihres Wahlkreises Mettmann I?

Steinbrück Ich weiß die Anzahl nicht genau und bei meinen Belastungen will ich auch nicht vollmundig versprechen, dass ich jede Woche im Wahlkreis auftauche. Aber ich will versuchen, in der heißen Wahlkampfphase eineinhalb oder zwei Tage in der Woche präsent zu sein.

Vor Ihrer Kandidatur hatten Sie nur wenige Bezugspunkte zum Kreis Mettmann. Kennen Sie ihn inzwischen gut?

Steinbrück Es leben sehr viele, zum Teil gute Bekannte hier, die ich aus meiner früheren Funktion kenne. Der Onkel meiner Frau lebt in Langenfeld. Ich empfinde mich hier nicht als Fremdkörper.

Sie haben sich zum Gegner der CO-Pipeline erklärt und angekündigt, mehr Druck auf ihre Genossen im Landtag ausüben zu wollen. SPD-Landeschefin Hannelore Kraft hat einen mit der Initiative der Pipeline-Gegner vereinbarten Termin platzen lassen. Hat Ihr Einfluss versagt?

Steinbrück Das ist keine Frage des Einflusses. Die SPD-Landtagsfraktion hat eine andere Beschlusslage als die Kreispartei. Ich selbst habe mir in vielen Gesprächen mit allen Beteiligten ein Bild gemacht, das nicht weit weg ist von dem Spruch des Verwaltungsgerichts.

Kann die Inbetriebnahme der Pipeline noch politisch verhindert werden, oder können das nur noch die Gerichte?

Steinbrück Die Landtagsfraktion sollte das Interesse haben, sich mit der örtlichen SPD der betroffenen Städte in Verbindung zu setzen. Und mit den Bürgerinitiativen, die einen bemerkenswerten Sachverstand aufgebaut haben. Ich sehe aber nur noch die Möglichkeit der gerichtlichen Klärung.

Bei einer politischen Entscheidung drohen Regressforderungen von Seiten Bayer Material Science?

Steinbrück Ja. Und ich fürchte noch mehr als das. Ich habe kürzlich mit dem Bayer-Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning gesprochen. Die Investitionspolitik von Bayer könnte sich ändern. Für ihn stellt sich die Frage der Rechtssicherheit. Dazu aber muss ich sagen: Dann lässt man die Finger davon, den Sicherheitsstandard der CO-Pipeline auch noch zu verringern.

Sie haben viele Unternehmen besucht. Wie schätzen Sie die Wirtschaftskraft des Kreises ein — auch hinsichtlich der aktuellen Krise?

Steinbrück Das muss man im Vergleich zu anderen Kreisen in NRW sehen: stark. Heute war ich bei der Firma Ages Maut Systeme in Langenfeld. Das ist einer der verborgenen Champions. Das Hauptproblem des Mittelstands jetzt ist es, Kredite zu bekommen. Aber Arbeitsmarkt, Wirtschaftsstruktur: Da rangiert der Kreis Mettmann im oberen Drittel.

Was sagen Sie mittelständischen Unternehmen in Ihrem Wahlkreis, die — in Not geraten — nach der Hilfe des Staates rufen?

Steinbrück Es gibt bereits eine Reihe von Entscheidungen, die sind vorteilhaft für den Mittelstand. So brauchen Unternehmen bis zu 500 000 Euro Umsatz im Jahr die Umsatzsteuer erst abzuführen, wenn ihre Kunden gezahlt haben. Das macht 1,9 Milliarden Entlastung aus. Wir haben ein 25 Milliarden Kredit- und Bürgschaftprogramm aufgelegt. Die müssen aber auch Gebrauch davon machen.

In Erkrath haben Sie zu Muttertag rote Rosen verteilt. Nur eine nette Geste, oder nehmen Sie aus solchen Begegnungen auch etwas mit?

Steinbrück Fünf Standorte habe ich bedient und habe eine Menge Schwiegermütter-Angebote bekommen. Im Ernst: Was ich dabei feststelle, ist ein deutlich gestiegenes Informationsbedürfnis der Menschen. Die wollen wissen, warum ich etwas tue.

Viele Menschen wenden sich mit Sorgen und Nöten Hilfe suchend an ihre Bundestagsabgeordneten. Wie wollen Sie solche Kontakte organisieren?

Steinbrück So wie alle anderen Bundestagsabgeordneten auch. Wenn ich gewählt bin, werde ich ein Wahlkreisbüro in Hilden einrichten. Ich werde das fortsetzen, was ich begonnen habe: den Kreis regelmäßig besuchen.

Die weltweite Finanzkrise ist bei den Kommunen angekommen. Die Gewerbsteuereinnahmen brechen weg. Der Bund hält aber weiter für den Fonds Deutsche Einheit die Hand auf. Auf immer und ewig? Auch, wenn Investitionen der Kommunen zurückgestellt werden müssen?

Steinbrück Ich würde an dieser Stelle den Bund loben — und manche Leute tun das ja auch. Immerhin haben wir in Berlin zehn Milliarden Euro für Infrastrukturverbesserungen in den Gemeinden bereitgestellt; und zwar unbürokratisch ohne Bewilligungsverfahren. Dies in der Erwartung, dass die Länder dasselbe tun. In NRW funktioniert das auch. Das Geld steht bereit, die Kommunen können es sofort abrufen.

Viele Kommunen aus dem Kreis Mettmann brauchen das Geld aus dem Konjunkturpaket II dringend für notwendige Investitionen. Doch es steht immer noch nicht fest, wofür sie das Geld ausgeben dürfen. Dafür ist erst eine Grundgesetzänderung nötig. Wann herrscht Klarheit?

Steinbrück Die anscheinend verbreitete Annahme, dass man auf die Sitzung der Föderalismuskommission am 10. Juli warten müsste, ist falsch. Die Städte sollen nicht warten, sondern das Geld jetzt ausgeben. Immerhin sind das Millionenbeträge, die gerade die finanzschwachen Gemeinden jetzt gut gebrauchen können.

Wie kann die von der stark schwankenden Gewerbesteuer abhängige Finanzierung der Gemeinden gesichert werden?

Steinbrück Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das weiß.

Was fällt Ihnen spontan zum Neandertaler ein?

Steinbrück Dass ich mit dem schon mal verwechselt worden bin.

Barbara Jakoby, Stephan Meisel und Jürgen Fischer stellten die Fragen

(RP)
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